Heft 
(1906) 41
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Frau Hartung wird ihren Kleinsten gebadet haben, und da ist es wohl begreiflich ..."

Merkwürdig, wie gut Sie Bescheid wissen, Herr von Sacrow," unterbrach sie ihn mit einem bösen Lächeln, das sie in dem Augenblick geradezu häßlich machte,genau damit entschuldigte sich nämlich Frau Hartung, als sie endlich erschien, und ich muß Ihnen mein Kompliment machen, sie sah recht niedlich aus, genau so, wie die fleißigen Hausfrauchen in den Märchenbüchern abgemalt werden, sauber und mit roten, von Arbeitseifer strahlenden Bäckchen. Und wir unterhielten uns auch ganz famos, wenigstens ich für mein Teil, denn Frau Hartung erzählte mir ein langes und breites von den viel­fältigen Pflichten einer Leutnantsgattin, die sich mit be­schränkten Mitteln einrichten müßte sie war einmal früher recht wohlhabend, sagte sie daß man aber bei dem rechten Willen zum Glück auch dabei sehr glücklich sein könnte. Und das alles in einem merkwürdig dozierenden Ton, der mich zuerst befremdete, dann aber meine stille Heiterkeit erregte; denn, während sie von den Hausfrauenpflichten predigte, waren sich die kleinen Hartungs draußen auf dem Korridor in die Haare geraten, prügelten sich mit Geschrei, und in der Küche brannte das Essen an, man roch es in der ganzen Wohnung. Da erhob ich mich natürlich, sagte: , Gnädige Frau, Ihre freundlichen Auseinandersetzungen haben mich sehr interessiert. ? und empfahl mich, denn ich fühlte, daß ich beim besten Willen das Lachen nicht mehr verbeißen konnte bei diesem komischen Widerspruch zwischen Theorie und Praxis!"

Da wollte er ihr nicht ohne eine gewisse zornige Erregung erklären, daß es nur an dem Zusammentreffen von allerhand widrigen Zufälligkeiten gelegen haben könnte, wenn in dem Haushalt seiner Freundin nicht alles in schönster Ordnung gewesen wäre, aber noch rechtzeitig schoß es ihm durch den Kopf: diese mokante Erzählung ist ja die Antwort! Die Ant­wort auf all' dein verschwiegenes Werben, auf all' deine stummen Fragen: Hast du dir's überlegt, was du auf dich nimmst, wenn du mir folgst, und denkst du es tragen zu können? Muffig kam ihr dieser Haushalt vor, der ihm stets als das Ideal einer rechtschaffenen und glücklichen Ehe er­schienen war. Also was brauchte es da noch langatmiger Aus­einandersetzungen oder gar erregter Vorwürfe? Man lachte wie sie:In der Tat furchtbar komisch, gnädigste Komtesse, und ich begreife vollkommen, daß ein angebrannter Kochtopf Sie amüsieren muß. Und wenn man weiter denkt, wie nun der arme Hartung hungrig nach Hause kommt, das Wasser läuft ihm schon im Munde zusammen, denn natürlich gab es sein Lieb­lingsgericht die rotbäckigen kleinen Hausfrauen aus den Mär­chenbüchern kochen dem Gatten immer das Lieblingsgericht - aber, o weh, das Essen ist angebrannt! Zu komisch, wahr­haftig, und wenn meine Passion für das sogenannte Familien­leben nicht so wie so schon auf sehr schwachen Beinchen ge­standen hätte, Ihre Erzählung, gnädigste Komtesse, hätte ihr den letzten Rest geben müssen!" . . . Und er lachte laut und herzlich, um aber auch seiner Antwort eine verletzende Spitze zu geben, begann er Alix in der fadesten Weise die Cour Zu schneiden, fad und mit einem leisen Unterton von Ironie, den er sich früher niemals erlaubt und herausgenommen hätte. Und erst, als er an ihrem verstimmten Gesichtsausdruck merkte, daß sie ihn verstanden hatte, hörte er auf. Deutete eben­so auf einem Umweg an, daß der heutige Abend aller Voraussicht nach für eine ganze Weile den letzten darstellte, indem er von dem erschrecklich vielen Dienst erzählte, der es ihm in der nächsten Zeit wohl kaum erlauben dürfte, seiner Bessie mehr als ein paar Kilometer Bewegung zu gönnen; alles aber in der denkbar lustigsten Form, so daß es ihm gelungen war, seine Zuhörer zu herzlichem Lachen zu bringen, alle bis auf die eine, die es wohl verstanden hatte, wie er's wirklich meinte. Der gute dicke Ouessendorpf hatte noch gelacht, als er schon im Sattel saß, und dieses dröhnende Lachen war ihm just als die rechte Musik zu dem lustigen Abschied erschienen . . .

Wie das Malheur mit dem Besuch zustande gekommen war, konnte er sich ungefähr denken: die Babett', das Dienst­mädchen, krank, der Jäger zum Dienst eingetreten - alles, was Beine hatte, mußte vor der drohenden Inspizierung ja Parade­marsch üben - und Frau Annemarie allein im Haus mit der kleinen Rasselbande. Da klingelt es, und Wolff, der hoff­nungsvolle Älteste, der gerade schon an die Türklinke langen kann, macht auf, sagt auf die Frage, ob die Mama zu Hause sei,Ja" und führt als angehender Kavalier die fremde Dame in den Salon, genau so wie er es sonst immer bei solchen Gelegenheiten von dem Jäger gesehen hatte. Rennt dann aber natürlich auf den Korridor hinaus und schreit:Mammi, tomm mal nach vorn, es ist eine fremde Tante da" ... na, und da konnte Frau Annemarie sich natürlich nicht mehr ver­leugnen lassen! . . . Es. tat ihm ordentlich weh, daß er sie, ohne es zu wollen, in die Verlegenheit gebracht hatte, sich gerade vor Alix Prahlstorff eine so demütigende Blöße zu geben; sie, die so stolz darauf war, daß derApparat", wie sie zu sagen pflegte,geräuschlos funktioniert", daß niemand, der sie in ihrem sonst so behaglichen Heim aufsuchte oder in eleganter Toilette über den Marktplatz gehen sah, eine Ahnung davon hatte, welch' ein Aufwand von wirtschaftlichem Scharf­sinn, welche Summe von Energie und nimmer erlahmender Tapferkeit dazu gehörte, den kleinen Kahn, der das Schicksal ihrer Lieben trug, so sicher und ruhig durch das mit gefähr­lichen Klippen und Untiefen übersäte Fahrwasser des kleinen Militärnestes zu steuern ...

Also aus und erledigt! Wer so viel bescheidene und stille Herzensgrößemuffig" fand, dem brauchte man wahrhaftig kein Tränlein nachzuweinen! Und traurig nur, daß er nicht schon früher zu diesen: Schluß gekommen war; wenn seine klaren Augen nicht so von heißer Begierde und Leidenschaft geblendet gewesen wären, hätte er schon längst sehen müssen, was er heute gesehen hatte; all die aufreibenden Kämpfe und schlaflosen, nervenzerrüttenden Nächte in diesen Wochen wären ihm erspart geblieben! Und es ging, weiß Gott, über Nerven und Sehnen, nächtens sich mit zehrenden Zweifeln zu plagen, tagsüber aber den geradezu heillosen Dienst zu tun, um abends, wenn die andern das Deckbett über die Ohren zogen, den Cavaliere servante und amante zu spielen. Wenn man die alte Spirituslampe nicht zwischenein ab und zu mit einem herzhaften Guß Kognak aufgemuntert hätte, wär' man bei diesen: Hundeleben mal ganz unversehens zusammen­geklappt!

Einmal vor jenen Wochen, gleich in der ersten Zeit ihrer Bekanntschaft, hatte er sie so beiläufig und weiß Gott ohne jede Nebenabsicht gefragt, was wohl eigentlich so ein Wunderwerk aus Blumen, Federn und Spitzen kostete, wie sie es an dem zusammengeknoteten Seidenband so nonchalant au: Arm trug. Und da hatte sie ganz achtlos erwidert:Der Hut da? Keine Ahnung. Aber wenn die Gerson-Prager mir die Rechnung schickt, können wir ja mal Nachsehen. Billig auf keinen Fall aber weshalb fragen Sie eigentlich, Herr von Sacrow? Gefällt er Ihnen vielleicht nicht?" Drückte das luftige Gebäude auf das schwere, rotblonde Haar und sah ihn mit kokettem Lächeln an. Er aber hatte die Hand aufs Herz gelegt, durch das bei dieser leichtfertigen Antwort ein schmerzhafter Stich gegangen war:Im Gegenteil,

gnädigste Komtesse, geradezu ausgezeichnet. Und kleidet Sie zum Entzücken also zu mehr fehlen mir die Worte." In jenem Augenblick hatte es den ersten Ansatz zu dem Rechenexempel gegeben, das nicht aufgehen wollte, so sehr man es auch von allen Seiten drehen und wenden mochte, und er entsann sich deutlich, wie er schon damals beim Heimreiten allerhand ab­mahnende Selbstgespräche geführt hatte:Mach Abmarsch,

Henner, solche Lilien auf dem Feld sind nur für die Herren von der Gardekavallerie vom Millionär aufwärts gewachsen, also wie kannst du kleiner Chasseur dich so sträflich erdreisten? Für so einen Hut dienst du deinem Herrn König vielleicht I einen geschlagenen Monat." Und wenn er an jenem Abend