Heft 
(1906) 41
Seite
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Schon jetzt waren die Preußen in ihrer linken Flanke um­gangen; am Abend des Elften erfuhr der Kaiser, daß ihre Streitmacht noch westlich der Saale stände, und beschloß nun, mit seiner ganzen Armee gegen diesen Fluß einzuschwenken und dem Feind den Rückzug an die Elbe zu verlegen. Am Zwölften war sein Hauptquartier in Gera, und als er dort von Gefangenen erfuhr, daß die preußischen Generale ihn von der Front, von Erfurt her erwarteten, während er sie an der linken Flanke schon bis Naumburg umflügelt hatte, da rief der große Schlachtenmeister aus:66rtuin6M6ut Lls 86 tromparont turi6U86M6nü 668 P 6 rrugu 63 !" (Sie werden sich ganz außer­ordentlich täuschen, diese Perücken!) Er ordnete den weiteren Vormarsch seiner Korps konzentrisch en, und als ihm Lannes am Dreizehnten vormittags die Anwesenheit von etwa 50000 Preußen bei Jena meldete, stand sein Entschluß zur Schlacht fest, für die er überlegene Kräfte zu vereinigen imstande war. Sein Handeln war wie immer klar, zielbewußt, energisch, während der altersschwache preußische Generalissimus mehr geeignet war,Befehle anzunehmen, als Zu erteilen", wie ihn eil: Zeitgenosse kennzeichnete. So wußte nun das preußische Hauptheer bei Weimar nicht, wo ein und aus; um Jena tastete das Nebenheer unter Hohenlohe herum, während das Rüchelsche Korps bei Bechstädt stand und das des Herzogs von Weimar im Thüringer Gebirge stecktealle vereinzelt, ohne gesicherte Verbindung untereinander, brüchige, bröckelnde Teile einer auseinanderfallenden Maschine, deren Zusammenstoß mit der napoleonischen, wo alles klappte und ineinander griff, er­barmungswürdig sein mußte" (Joh. Scherr).

Nach dem Unglück von Saalfeld war das Hohenlohesche Korps (44000 Preußen und Sachsen) auf den Höhen zwischen Weimar und Jena zusammengezogen worden, damit es der Hauptarmee unter dem Braunschweiger bei dem beabsichtigten Linksabmarsch zur Unstrut die Flanke decke und ihr dann folge. Fürst Hohenlohe ließ sich von seinem Generalquartiermeister, dem Obersten v. Massenbach, einreden, er habe mit Rücksicht auf den Befehl des Generalissimus eine Schlacht unbedingt zu ver­meiden. Er befahl im Laus des Dreizehnten, nicht nur Jena zu räumen, das die Franzosen sofort besetzten, sondern gab auch die unmittelbar nördlich aufsteigenden Höhen preis: den Landgrafenberg und den sogenannten Windknollen, obwohl diese seine viel zu weit nördlich genommene Stellung be­herrschten. An keinen Kampf denkend, ritt er dann nach Kapellendorf zurück.

Der Übergang über die Saale war jetzt in der Hand der Franzosen. Am Nachmittag traf der Kaiser in Jena

ein. Er ritt bloß einige Schritte in den Schloßhof hinein und sprengte gleich darauf, in seinem einfachen grauen Überrock, das historische kleine Hütchen auf den: Haupt, auf seinem feurigen Roß den Apoldaischen Steiger hinan, gefolgt von seiner Suite. Noch in der Nacht ließ er die Geschütze des Lannesschen Korps und der Garden auf die Berge schaffen, wo er die kalte Oktobernacht in einer Strohhütte auf der Spitze des Landgrafenberges verbrachte, alles anordnend und überwachend, während Zwei Stunden entfernt das preußische Hauptquartier friedlich schlummerte. Er glaubte, die ganze preußisch-sächsische Armee auf der Hochfläche zwischen Ilm und Saale vor sich zu haben, und hatte deswegen alle verfügbaren Korps an sich gezogen. Nach seinen Dispositionen sollte Lannes den Kampf im Zentrum eröffnen und Ney ihm schleunigst nachrücken; Augereau war angewiesen, mit dem linken Flügel durch das Mühltal in die Flanke des Gegners zu stoßen, auf dem entgegengesetzten Flügel Soult mit dem rechten durch das Rauhtal. Im ganzen wurden hier 125000 Mann gegen die 44000 Preußen aufgeboten, von denen sich 28 000 Mann im Lager bei Kapellendorf befanden, vor ihnen die Avantgarde unter Tauentzien, während auf dem linken Flügel das Korps des Generals Holtzendorf (6000 Mann) stand. Die am Morgen des Dreizehnten von Weimar aus­gebrochene Hauptarmee, bei der sich neben dem Herzog von Braunschweig auch König Friedrich Wilhelm III. befand, war,

an der Saale abwärts rückend, am Abend mit ihrer vordersten Division Schmettau bis nördlich Auerstedt gelangt; das Gros lagerte zwischen Auerstedt und Ranstedt. General v. Rüchel stand mit dem vormals rechten Flügelkorps (15 000 Mann) bei Weimar.

In der Frühe des 14. Oktober lagerte dichter Nebel über der ganzen Gegend. Noch im Nachtdunkel ritt Napoleon an die Truppen des Marschalls Lannes heran, die zuerst ins Feuer kommen sollten, und richtete eine jener Ansprachen an sie, durch die derkleine Korporal" seine Scharen zu den höchsten Lei­stungen todesverachtender Tapferkeit zu entflammen verstand. Um 6 Uhr verkündete der eherne Mund der Geschütze den Beginn der Schlacht bei Jena. Lannes griff die von Tau­entzien besetzten Dörfer Klosewitz und Lützerode an, die nach zweistündigem heftigen Ringen genommen wurden. Die preu­ßische Vorhut wich trotz der erlittenen Verluste in guter Ordnung auf Vierzehnheiligen und Krippendorf zurück. Inzwischen hatten das preußische wie das französische Gros ihre Entwicklung be­gonnen. Hohenlohe hatte die Preußen unter Grawert bei Vierzehnheiligen aufgestellt, die sächsischen Truppen bei Isserstedt; an Rüchel sandte er Botschaft, daß er ihm zu Hilfe kommen solle. Französischerseits führte links von Lannes der Marschall Augereau ein hartnäckiges Gefecht um den Jsserstedter Forst, wahrend rechts der tapfere Nep in den von Lannes um den Besitz von Vierzehnheiligen geführten Kampf eingriff. Gegen Mittag entriß er das Dorf den Preußen im ersten Anlauf und behauptete es, von allen Seiten unterstützt, gegen ihre Versuche, es zurückzugewinnen. Auf dem linken Flügel wurde das Holtzendorffsche Korps durch Soult nach Norden zurück­gedrängt; dann schwenkte der Marschall gegen die Flanke des Hohenloheschen Korps ein und entschied dessen Rückzug, da Rüchel durch höheren Befehl zmückgehalten wurde. Die Preußen wichen zuerst in guter Ordnung; als aber Napoleons Reiterei über sie herfiel, flohen sie in wilder Hast. Um 2 Uhr erschien Rüchel endlich und führte einen Vorstoß gegen das französische Zentrum. Jetzt aber war es zu spät: seine Truppen wurden umfaßt, geworfen und in das allgemeine Durcheinander mit fortgerissen.

Während diese Katastrophe sich vollzog, war nun auch das Hauptheer unter dem Herzog von Braunschweig bei Auerstedt mit den: Korps des Marschalls Davout, der mit dem rechten Flügel der französischen Streitkraft selbständig operierte, in den Kampf getreten und unterlag gleichfalls, obwohl hier die Preußen an Zahl bedeutend überlegen waren. Im preußischen Haupt­quartier hatte man keine Ahnung von der bedrohlichen Nähe des Feindes, der am Abend des Dreizehnten mit nicht ganz 30 000 Mann in und bei Naumburg stand. Ungehindert konnte Davout in der Frühe des Vierzehnten seine Kolonnen bei Kösen den steilen Talrand des linken Saaleufers ersteigen lassen. Die Preußen setzten sich um 6 Uhr von Auerstedt in Bewegung, an der Spitze Blücher mit der Reiterei und der Division Schmettau. In dem wogenden Nebel stießen sie bei Hassenhausen auf die Hauptmacht des Feindes, die mehrere Vorstöße abwies. Nach dem Eintreffen der Division Wartensleben wurde gegen 9 Uhr der Angriff auf Hassenhausen unternommen, der jedoch scheiterte. Der Herzog von Braunschweig wurde durch einen Schuß beider Augen beraubt (er starb am 10. November in Ottensen), und nun hörte die einheitliche Führung gänzlich auf. Die Preußen stürmten tapfer, aber vereinzelt vor und wurden von dem in­zwischen verstärkten Gegner jedesmal zurückgeworfen. Noch immer wäre der Sieg zu erringen gewesen, hätte der General v. Kalckreuth seine 18 000 Mann Reserven eingesetzt; dies unterblieb jedoch - weil kein Befehl dazu gegeben ward!! Als Munitionsmangel eintrat, begann auch hier der Rückzug, ob- schon mittlerweile noch die Division Oranien eingetroffen war und man über zwölf frische Bataillone verfügte. König Friedrich Wilhelm III. ordnete das Zurückgehen auf Weimar an, wo er Hohenlohes und Rüchels Truppen intakt anzutreffen hoffte. Als man aber bei Buttstädt auf die traurigen Trümmer der Armee von Weimar stieß, vollzog sich auch die