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Auflösung der Hauptarmes, in der alle Ordnung und Disziplin verloren ging.
Schlag auf Schlag folgten die Niederlage der preußischen Reservearmee bei Halle, Hohenlohes schmachvolle Kapitulation bei Prenzlau, Blüchers Kapitulation nach tapfersten Kämpfen (zuletzt in Lübeck), bei Ratkau und die Übergabe der Festungen der Mark und Pommerns (mit Ausnahme von Kolberg) ohne oder fast ohne Widerstand. Am 27. Oktober zog Napoleon in Berlin ein.
Der Vernichtung des friderizianischen Heeres, dessen pedantische Schwerfälligkeit der durch Napoleons Genie zur höchsten Vollkommenheit gebrachten neuen, beweglichen Art der Kriegführung erlag, folgte unaufhaltsam der Zusammenbruch der altpreußischen Monarchie. „Wir können uns nicht genug vergegenwärtigen, wie tief ein Staat und ein Volk sinken konnte infolge von Unentschlossenheit und Selbstüberschätzung in den leitenden Kreisen und der Gedankenlosigkeit breiter Schichten," schrieb kürzlich Generalleutnant z. D. v. Janson; „wir dürfen aber auch nicht vergessen, daß die dem Fall folgende Erhebung nur möglich wurde, weil in der alten
Armee, vornehmlich im Offizierkorps*), ein vortrefflicher Kern steckte, weil in großer Zahl treffliche Männer vorhanden waren, denen nur Raum zur Tätigkeit gewährt zu werden brauchte, und weil auch in einem großen Teil des Volkes Pflicht- und Vaterlandsgefühl zwar schlummerten, aber doch nicht fehlten." So konnte in der Zeit der tiefsten Erniedrigung, als ganz Deutschland zu den Füßen des korsischen Eroberers lag, in Preußen die reformatorische Tätigkeit eines Stein und Hardenberg, eines Scharnhorst und Gneisenau, aber auch eines Arndt und Fichte einsetzen, die mit den bahnbrechenden Neuerungen auf den Gebieten des bürgerlichen Lebens und der Verwaltung statt der früheren Söldnertruppe das Volk in Waffen auf den Plan stellte und die nationale Erhebung und den Sieg möglich machte.
"0 Nicht weniger als 18 Generale und etwa 700 Offiziere sind an dem verhängnisvollen 14. Oktober tot oder verwundet auf dem Schlachtfeld geblieben, und in dem Heer der Befreiungskriege hat mehr als die Hälfte des alten Offizierkorps — 4000 von 7000 — die Truppen zum Siege geführt.
Inclien als Oouristenlanä.
Von Ernst von Lesse-Wartegg.
Mit Abbildungen nach Ltereo^rapN copyri^bt von Onäer^vooä L Onciervvooci, I.onäon K ^levv Voik.
(^Vierhundert Jahre sind verstrichen, seit die Portugiesen in Indien festen Fuß gefaßt haben, zweihundertfünfzig, seit die Engländer durch ihre Ostindische Kompanie mit den Völkern Hindo- stans in lebhaften Verkehr getreten sind, aber dennoch ist dieses Riesenreich bis auf den heutigen Tag in seiner malerischen Ursprünglichkeit erhalten geblieben.
Die wenigen Tausende an Europäern, die bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts in Indien ansässig waren, konnten natürlicherweise auf die ungeheure Masse des dreihundert Millionen Seelen starken Volkes keinen merklichen Einfluß ausüben. Mit Recht sagte mir noch vor einigen Jahren der Vizekönig von Indien in seinem herrlichen Palast von Kalkutta: „Dem
Kaiser von China und mir untersteht die halbe Bevölkerung des Erdballs." Die Engländer konnten wohl eine Reihe von Eingeborenen
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Elefantenzug beim Durbar in Delhi.
staaten unter ihr Zepter bringen und ihre altangestammten Fürsten vertreiben, sie konnten mit andern Verträge in bezug auf Handel und Verkehr, Post und Münzwesen schließen, aber
die Kultur, die Sitten und Ge brüuche, wie sie Jahrtausende hin durch bis auf die Gegenwart herab- kamen, sind im großen ganzen un verändert geblieben und stempeln das ungeheure Reich des Großmoguls unstreitig zu den: interessantesten und eigenartigsten des Erdballs. Selbst der Sturz des letzten Großmoguls, Bahadur Schah, und die Einnahme seiner Hauptstadt Delhi konnten darin nichts ändern, sondern nur die politische Herrschaft der Engländer befestigen, ohne sie bei denJndiern beliebter zu machen. Es war gelegentlich des letzten Kampfes der Indier um ihre Selbständigkeit, den die Engländer „tlm iVlutin^", die Meuterei, zu nennen belieben, daß die Rotröcke Delhi ein - nahmen, und in