Heft 
(1906) 43
Seite
907
Einzelbild herunterladen

907

weiter schimpft Entsinnst du dich vielleicht noch, daß meine Annemarie vor einigen Wochen hier nebenan und spät abends eine gar rührsame Geschichte erzählte von unserer äußerlichen und innerlichen Umwandlung?"

O ja, gewiß, selbstverständlich ..."

Na, dann gestatte noch eine kleine, lehrreiche Ergänzung!

Nämlich bei der Erzählung damals war ein sehr wichtiger Faktor etwas stiefmütterlich bedachtworden: ich, der Ober­leutnant Har­tung, Sprecher dieses. Also da möchte icv denn doch hinzufügen, all das, was jetzt scharmante Wirklichkeit ist nach dem Ver­lust unseres Ver­mögens, wäre in der Idee stecken geblie­ben, ich war' jetzt schon längst Weinreisender,

Versicherungs­agent oder der­gleichen, wenn ich nicht so ein unbekümmerter Kerl gewesen wäre, der ich will mal jetzt ganz offen sein im Aller­innersteneigent­lich froh war, daß dieser an­geheiratete Luxus aufhörte.

Schmeckte mir ja alles ganz gut, die dicken Zigarren und Schloßabzüge, ich freute mich kindisch, als mir meine Annemie zur ersten Weih­nacht eine Flinte schenkte, von der ich früher nicht zu träumen ge­wagt hätte

die Leue-Gree- Chrysanthemen,

ner, weißt du, Gemälde von G. Sch ach in ge r.

und sie steht ja jetzt noch drüben in meinem Gewehrschrank, frißt jährlich die Zinsen von tausend Mark ja, aber es kostete mich auch nicht das geringste Opfer, auf all den Kram zu verzichten, als damals, bems, der Brief kam:

Minus zweimalhundertzwanzigtausend Mark! Na schön, sagte ich, jetzt kannst du deiner Holden nachträglich beweisen, daß du sie wirklich aus Liebe geheiratet hast, nicht aber um der schnöden Zechinen willen, und daß es, wie sie da unten im Elsaß sagen, 1a vraio verit^ war, wenn du nach einem opu­lenten Diner bei irgend einem der klotzig wohlhabenden Dra­goner sagtest: ,Du, Annemarie, ein Kotelett, aber mit dir

allein, wäre mir lieber gewesen ll"

i

Na, das war doch selbstverständlich", warf Frau Anne­marie ein.

Ah bitte, doch nicht so ganz", erwiderte der Hausherr, und zu Henner gewandt, fuhr er fort:Also sieh, meine Frau hat damals gesagt, sie hätte u. a. auch ganz glatt die Köchin gestrichen, als einen der überflüssigen Lurusgegenstände. Weißt du aber, was das für unsereinen bedeutet, der doch

selbst als Jung­geselle im Kcu sino immer ganz leidlich gegessen hatte? Ünd der jetzt als Ver­suchskaninchen dienen mußte, bis die Gattin endlich die rich­tige Form des vorhin erwähn­ten Koteletts herausgekriegt hatte? Ihr zuckt müdenAchseln! Aber hast du, Henner, denn eine Ahnung, welche Entwick­lungsstadien so einKotelett,oder sagen wir mei netwegen, eine Hammelkeule, bis zur Vollen­dung durch­machen kann? Vom Eselskinn­backen, mit den: Simson die Phi­lister schlug, an­gefangen, bis zu den: sanft­geschwellten, saftstrotzenden Stück, bei des­sen Anblick du sagst: Weißt du, Annemie, zu der andern Hälfte machst du mor­gen Salzkartof­feln mit Zwie­belsauce und reichlich ein Kümmel . . . ah, Brüderchen, das ist ein lan­ger Weg, und der: soll mir ein

anderer mal erst nachmachen!"

Na bitte, jetzt aber endlich die Nutzanwendung!" sagte Henner, der bei dieser drastischen Darstellung unwillkürlich hatte lächeln müssen.

Wart's nur ab," sagte der Hausherr,die kommt noch. Das eben war nur eine Altivlegitimation für das folgende! Also du beschwerst dich bitter, die Komteß Prahlstorff zeige nicht die gerumste Neigung, sich nach der Decke einer kargen Leutnantsehe zu strecken, na und da frage ich dich jetzt: Wo

sind deine Einschränkungen? Wie ich sehe, rauchst du den teuren Prince of Wales-Tabak, von den: jede einzelne Zigarette etwa zwanzig Pfennige kostet, ruhig weiter!"

98 *