Heft 
(1906) 43
Seite
917
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Fasan und Erpel.

man auf bequemer Treppe hinaufsteigt. Der junge Heideläufer hat sich's einfacher aber praktischer eingerichtet. Er hat einen schenkeldicken Fichtenstamm mit Sprossen versehen und über zwei schrägen Stre­ben ein schmales Sitzbrett befestigt. Mit Stricken wird der einfache Apparat an einen Baum gebunden. Heute stellt er ihn vor Malepartus auf, morgen irgendwo am Felsrand, übermorgen an der Waldwiese, auf die der Rehbock auszutreten pflegt.

^ Das Reh ist Liebling und

- ^ Sorgenkind der deutschen Jä­gerei. Es ist verhältnis­mäßig leicht auf dem An­stand und dem Pirschgang zu erlegen, namentlich mit den modernen, weittragen­den Büchsen. Diese sind meistens noch mit einem Zielfernrohr ausgerüstet, das auch dem sogenann­tenBrillenjäger" den ) Schuß auf weite Ent­fernung gestattet. Außer­dem trägt der Jäger wo­möglich noch eins der neuen Prismen­gläser bei sich, mit dem er auf dreihundert Meter das Wild sicher ansprechen kann. Mit diesen Hilfs­mitteln stellt sich eine moderne Pirsch­fahrt etwa so dar: Auf einem leichten von zwei schnellen Juckern gezogenen Wagen saust der Jäger durchs Revier. An den Lichtungen und Schonungen, auf denen das Rehwild auszutreten pflegt, wird angehalten. Mit dem Glas mustert man die äsenden Böcke, um fest­zustellen, was sie auf dem Kopf tragen. Dann fährt man den stärksten, der ein gutes Sechsergehörn aufgesetzt hat, an. Un­bemerkt gleitet der Jäger seitwärts aus dem Wagen und schießt, r während das Wild dem davonrollenden Gefährt nachäugt.

L Auf diese Weise wird es erklärlich, daß hohe Jagd- l Herren bei einer einzigen Pirschfahrt acht, zehn und noch mehr Böcke zur Strecke bringen. Dagegen ist nichts ein­zuwenden, und doch regt sich im echten Weidmann ein Gefühl der Abneigung gegen einen solchen Großbetrieb. Er mag das Bewußtsein, körperliche und geistige Energie und Tüchtigkeit bei der Jagd entwickelt zu haben, nicht missen. Ihm schwebt als Ziel nicht ein Dut­zend Böcke vor, sondern der Kapitalbock, der sich bisher allen Nachstellungen entzogen hat. Ihn - .

will er erlegen und dann an der Wand die Gruppe Herstellen: Bock, daneben Ruck­sack, Drilling und Lodenhut.

Der Berufsjäger wird wohl selten einen . -

Gang in den Wald antreten, ohne seinen treuen vierbeinigen Gefährten mitzunehmen. *

Allerdings muß es ein wirklicher Gebrauchs- Hund sein, der die Fähigkeiten und Vorzüge mehrerer Rassen in sich vereinigt. Er muß folgsam an seines Herrn Seite marschieren und lautlos minutenlang liegen, ohne sich zu rühren, während der Grünrock sich die letzten fünfzig Schritt an den Bock anpirscht; er muß lebhaft und sicher der Schweißfährte folgen, bis er den kranken Bock gefunden hat. Wird er vor ihm flüchtig, dann folgt er ihm lauthals, ist er schon verendet, dann erhebt er seine Stimme zu einem ganz eigenartigen Geheul, demTot­verbellen", das dem Jäger zur Richtschnur dient. Und dann muß er manchmal stundenlang an dem Rehbock Wache

vor

halten, wenn sein Herr noch einen Dienstgang zu machen hat, bei dem er die Beute nicht mit sich schleppen will.

Dazu eignet sich allem der biedere deutsche Hühnerhund und der Stichelhaarige, über deren Fähigkeiten man ganze Bände schreiben könnte.

Der Grundzug ihres Charakters ist Biederkeit und Gutmütig­keit. Hungrig wie ein Wolf, der vergeblich gejagt hat, liegen sie unter dem mit Speisen be­deckten Tisch, deren lieblicher Duft auf ihr feines Geruchsorgan noch viel stärker einwirken muß Der Stichelhaarige, als auf unsere stumpfen

Nerven. Aber ein wohlerzogener Hund rührt nichts an, selbst

wenn er mit den verführerischen Leckerbissen allein gelassen wird. Er verteidigt sie sogar gegen die naschhaften Gelüste der Katze, die durch keine Strafen zu unterdrücken sind.

Ebenso groß ist seine Gutmütigkeit. In jedem Forsthaus ist er der geduldige Spielkamerad der Jugend. Er liegt stundenlang regungslos, wenn ein kleiner Blondkopf sich an ihn geschmiegt hat und dabei vom Schlummer übermannt worden ist. Er läßt sich vor den Kinderwagen spannen, er apportiert den Ball aus dem Wasser, er erduldet selbst Quäle­reien, ohne zu murren. Seinem Herrn ist er mit Leib und Seele ergeben. Er liegt unter seinem Stuhl und klagt wie ein Mensch, wenn er bei einer Fahrt nicht mitgenommen wird.

Was er als Jagdgehilfe leistet, ist mit wenigen Worten nicht zu erschöpfen. Der Engländer bedarf allein zum Auf­suchen und zum Apportieren der Rebhühner zweier verschiedener Hunderassen. Der deutsche Hühnerhund vereinigt beide Fähig­keiten. Aber was leistet er noch darüber hinaus! Jur Wald buschiert er, d. h. er jagt lauthals das Wild, bis es dem vor­stehenden Jäger zu Schuß kommt.

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Ein treuer Wächter.