Heft 
(1906) 46
Seite
970
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Oie kunkentelegrsphie und ihre Portschntte.

Von vr. B. Donath.

^urch die Verhandlungen der Internationalen Konferenz für drahtlose Telegraphie sind die Blicke aller Gebil­deten von neuem auf eine der seltsamsten Entdeckungen gelenkt worden, auf eine deutsche Entdeckung, der in praktischer Bedeutung sich keine an die Seite stellen läßt, außer etwa die­jenige der Röntgenstrahlen. Wer hätte es sich träumen lassen, daß einmal das in aller Stille des Laboratoriums gemachte Experiment unseres großen Physikers Heinrich Hertz, zu fast unheimlicher, gespenstischer Größe angewachsen, die Welt beherrschen würde? Wer hätte auch nur ahnen können, daß einmal die Wellen und Strahlen elektrischer Kraft ein Riesenkapital darstellen könnten, um dessen Genuß sich Millionen streiten, ein wissen­schaftliches Vermächtnis, dessen wirtschaftlicher Besitz das Streit­objekt zwischen ganzen Völkern auf Jahre hinaus abgeben wird?

Das gelehrte Experiment zuletzt ein Gegenstand der Diplomatie?

Ein seltsamer, ein ganz ein­ziger Fall in der Tat, eine Entwicklung der Dinge, denen auch die kühnste Phantasie hilf­los gegenüberstehen muß. Und wir sind doch erst am Anfang!

Das SchlagwortFunkentelegraphie" ist heute in aller Mund, und doch, wie wenige wissen sich darunter irgend etwas Greifbares vorzustellen. Man kann es ihnen wahrhaftig nicht übelnehmen. Der Aufbau der gewöhnlichen Telegraphie mit ihrem ganz sicheren Drahtweg zwischen beiden Stationen ist so bekannt und selbstverständlich, daß uns eine draht­lose und also anscheinend weglose Telegraphie wie ein schlechter Aprilscherz Vorkommen muß. Aber wir gehen eben von einer ganz falschen Vorstellung aus; lassen wir doch einmal die all­tägliche elektromagnetische Telegraphie ganz fort, und wenden wir uns zunächst einem Versuch zu, der scheinbar mit unserm Problem gar nichts zu tun hat.

Vor uns steht eine gewöhnliche Stimmgabel auf ihrem Resonanzkasten. Wir schlagen sie mit einem Hämmerchen an und sehen sie schwingen. Aber wir hören sie auch schwingen. Die vibrierenden Stimmgabelzinken wühlen die Lust auf, wie ein Steinwurf das Wasser, und ihre Stöße pflanzen sich von

Luftteilchen zu Luftteilchen nach allen Seilen durch den Raum fort. In außerordentlich kurzer Zeit wird auch unser Trommelfell erreicht und durch die einfallenden Lustver­dichtungen im Tempo der Stimm­gabel rhythmisch bewegt. Das ist eine Arbeitsübertragung in eigent­lichster Bedeutung, und die durch die Luft eilende Schallwelle ist eine Trägerin der Energie.

Die Tonhöhe der Gabel wächst mit ihrer Schwingungszahl; im übrigen hat aber jede Gabel wie überhaupt jeder klingende Körper eine ganz bestimmte Tonhöhe und Schwingungszahl, die sich nicht ändert, solange sich zwei Dinge nicht ändern: die Masse und die Elastizität. Mithin kommt jedem Schwingungssystem eine von diesen Größen abhängige Eigenschwingung zu.

Denken wir uns einmal zwei Stimmgabeln von ganz gleicher Eigenschwingung, also dem gleichen Ton, in einiger Entfernung voneinander aufgestellt, so wie es unsere erste Abbildung zeigt. Gegen die Zinken der Stimmgabel L lehnen wir ein kleines,

Abb. 1.

Arbeitsübertragung von einer Stimmgabel aus die andere.

Abb. 2.

Entstehung schneller elektrischer Schwingungen.

leichtes Pendel, und dann schlagen wir kräftig gegen die Stimm­gabel Sofort beginnt das Pendelchen an der andern Stimmgabel zu tanzen und deutet dadurch eine schwingende Bewegung ihrer Zinken an. Wirklich ein merkwürdiger Vor­gang. Die Gabel ^ wurde angeschlagen und die Gabel 6 gerät in Schwingungen. Also wiederum eine Arbeitsüber­tragung, eine Arbeitsübertragung durch die Luft von einer Gabel zur andern; wenn wir so wollen, eine akustische Telegraphie

mit Luftwellen. Aber eine Be­dingung ist dabei, und der schöne Versuch gerät durchaus nicht im­mer. Wenn nämlich die Gabeln auch nur eine We­nigkeit gegen­einander ver­stimmt sind und mithin nicht die gleichen Eigen­schwingungen haben, ist alle Mühe umsonst. Man mag die Gabel noch so stark schlagen, das Pendelchen an der andern rührt sich nicht. Wohl geht die Wellen­energie nach allen Seiten in den Raum und trifft ganz sicher die zweite Gabel, aber diese weist alles stolz zurück, was nicht ihrer innersten Eigenart entspricht. Wahrhaftig, über dieses Phänomen derResonanz", in dem tote physikalische Apparate zur Indi­vidualität erwachen, könnte man ganze Bände schreiben.

Aber was hat alles dies, so wird man fragen, was hat alles dies, so interessant es auch sein mag, mit der Funken­telegraphie zu tun? Nur noch einen Augenblick Geduld. Es gibt nämlich auch elektrische Stimmgabeln, natürlich nicht etwa gewöhnliche Stimmgabeln mit elektromagnetischem Antrieb, sondern Apparate, in denen die elektrische Ladung hin- und herschwingt, ähnlich wie die Masse der akustischen Gabel. Diese zunächst rätselvolle Andeutung ist folgendermaßen zu verstehen.

Man kann eine Leidener Flasche mit ihrem äußern und innern Metallbelag als einen elektrischen Ansammlungsapparat ansehen. Verbindet man in bekannter Weise den innern Be­lag mit einer Elektri­siermaschine, so ist jedenfalls in wenigen Augenblicken der elek- trischeLadungszustand innen anders als außen. Derartige Unterschiede haben, wie auch sonst alle Druckunterschiede, stets das Bestreben, sich auszugleichen, und sie tun es auch, wenn ihnen Gelegenheit dazu geboten wird. Denken wir uns nun einmal den äußern Belag einer geladenen Flasche mit einem Draht verbunden und diesen, wie es die zweite Ab­bildung zeigt, dem Metallknops des inneren Belags genähert, dann bricht sich die elektrische Ladung gewaltsam Bahn, und es kommt zu einem Ausgleich mit der Begleiterscheinung eines Hellen, knallenden Funkens. Dieser Funke ist nichts anderes als die leuchtende Brücke aus Metalldämpfen, über die hin die elektrischen Massen stürzen, und wie dieser Ausgleich im

Entstehung langsamer elektrischer Schwingungen.