Heft 
(1906) 52
Seite
1098
Einzelbild herunterladen

1098

Gesicht, Ohren, Hände und Füße bloß mit kaltem Wasser zu waschen, in der kälteren Jahreszeit nur poröse Handschuhe und weiche wollene Strümpfe in weiten Schuhen, nie aber Glacehandschuhe und enge Fußbekleidung zu tragen; denn gerade diese beiden verursachen sehr leicht Frostbeulen. Sind letztere vorhanden, so dienen am besten zu ihrer Be­seitigung kurze kalte Hand- und Fußbäder, in denen ein oder zwei Löffel Chlorkalk aufgelöst sind, Abreibungen mit Schnee oder kalte Umschläge; auch Einpinselungen mit Kollodium oder Jodtinktur kann der Laie noch selbst anwenden, jedoch geschieht das letztere am besten erst nach Einholung des Rates eines Arztes, der überhaupt in hartnäckigen Fällen von Erfrierungen ersten Grades notwendig ist. Daß in der Winterzeit naß gewordene Füße und Hände besonders leicht Frostschäden er­leiden, wollen wir noch anführen und bemerken, daß gerade in solchen Fällen am ehesten Erfrierungen des zweiten Grades entstehen.

Bei diesem dringen die Veränderungen schon viel tiefer in die Gewebe infolge vorausgegangener längerer und stärkerer Kälteeinwirkung. Er unterscheidet sich aber von dem früher besprochenen dritten Grad durch das Fehlen brandiger Schorf­bildung. Die erfrorenen Körperteile sind viel schmerzhafter als beim ersten Grad, der Schmerz ist stechend und spannen­der, weil ja auch die Geschwulst viel bedeutender ist, die Rötung ist dunkelblau durch vollständige Stockung des Blutes in den Venen; es erheben sich alsbald mit gelbbrauner Flüssig­keit gefüllte Blasen auf der Haut, aus denen sich nachträglich

für gewöhnlich langdauernde Frostgeschwüre entwickeln. Diese pflegen um so schlimmer zu werden, je stärker und anhalten­der die auf die anfängliche Schmerzhaftigkeit folgende Gefühl­losigkeit ist.

Hält die letztere tagelang und sogar noch bei scheinbar wieder normal gewordener Hautbeschaffenheit an, so sind tiefgreifende und umfangreiche Verschwärungen zu fürchten, deren Grund und Ränder nicht rot und blutreich, sondern blaß und grau aussehen, nur wenig und dünnen Eiter bilden und entsprechend lange Zeit zur Ausheilung erfordern, selbst bei der zweckmäßigsten Behandlung, die nicht mit Haus- und Volksmitteln davor sei hier ausdrücklich gewarnt sondern nur von einem Arzt durchgeführt werden kann. Immer­hin kann der Laie zum guten Ende selbst dieses schweren Erscheinungsgrades noch das Seinige beitragen dadurch, daß er die ersten Maßregeln bis zur Ankunft des Arztes richtig ausführt, d. h., daß er vor allem wieder die kalten Schnee­oder Wasserabreibungen im kühlen Raum einleitet, sie dann in einem mäßig warmen Zimmer fortsetzt, dabei aber, was ganz besonders wichtig ist, die erfrorenen Glieder fortwährend senkrecht erhoben hält, damit der gänzlich stockende Rücklauf des Venenblutes nach dem Körper hin möglichst erleichtert wird.

Im späteren Verlauf aber sind die sorgsame Pflege und liebevolle Aufmunterung der meist seelisch niedergedrückten Erfrierungskranken eine wesentliche Hilfe für den Arzt und eine Stütze für jene in langen Leiden.

O O

Neujahrstrupk.

wir haben, eine frohe Schar,

So manche liebe Nacht

Bei Sang und wein im alten Jahr

Durchjubelt und durchwacht.

Heut aber klingt ein ernster Ton In unsre Lust hinein:

Das alte Jahr schlich still davon, Lin neues tritt herein.

Das kommt daher aus einer Welt Doll feierlicher Nuh,

Don Sternen war sein jpfad erhellt - Ich aber trink ihm zu:

Du neues Jahr mit Traubenblut Gefüllt Hab' ich das Glas:

Gib du mir von der Lebensflut Lin vollgerüttelt Maß!

Und ob du Freude mir kredenzt,

Ob von der Stunde Grund Das Schicksal mir entgegenglänzt,

Ls bleibt mein dürft'ger Mund Und meine Sehnsucht ungestillt,

So lange noch der Ouell

Des Lebens vor mir rauscht und schwillt

So golden, klar und hell!

K. GNÄemelstei'.

Das Thormer Blutbad.

(Schluß.) Ein Bild aus deutscher Geschichte.

früher Winter hatte schon in den ersten November- tagen eine Schneehülle übers Land gebreitet und den grauen Häusern und Türmen der Stadt weiße Kappen aufgesetzt. Da erhielt Regina eines Tags ein Brieflein, und der Abend fand sie im Zimmer der Amme. Kasimir war zurückgekehrt; leidenschaftlich drückte er das Mädchen ans Herz. Dann aber trat eine tiefernste Pause ein, in der sich nichts regte als das knarrende Geäst der entlaubten Linde vor dem Fenster, von der der Sturmwind Schneelasten schüttelte.

- Von Rudolf von Gottschall.

Was ist geschehen?" rief Regina zuletzt in ausbrechender Herzensangst.

Ein Todesurteil ist gefällt worden."

Über meinen Vater?"

Über deinen Vater!"

R'gina brach ohnmächtig zusammen.

Als sie die Augen wieder aufschlug, sprach Kasimir ein tröstlich Wort.

Noch ist ein leiser Hoffnungschimmer. Die Gültigkeit des Vluturteils ist abhängig von dem Eid, den der Rektor