Heft 
(1906) 52
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der Jesuiten schworen soll; doch die Gesetze des Ordens verbieten, einen Eid auf Vlut zu schwören."

Ich hoffe nichts mehr!" sagte Regina trostlos.

Zwei schwere Tage . . . Regina brachte sie verweint und trostlos zu; immer wieder schloß sie den Vater mit über­strömender Zärtlichkeit ans Herz. Sie sah ja mit schaudernder Gewißheit vor sich, was er nur fürchtete.

Endlich kam ein versiegeltes Schreiben, Rösner erbrach es. Mit klopfendem Herzen stand Regina daneben ... es war das Todesurteil und die Ankündigung einer Exekutionskommission, die von mehr als dreitausend polnischen Soldaten begleitet werden sollte.

Daß sie es wagen daß sie es wagen!" rief Rösner tief erschüttert aus, indem er sich in einen Stuhl warf und die Hände vor das Gesicht preßte.Es ist der Untergang unserer städtischen Freiheiten!"

O, möchten sie untergehen," rief Regina zitternd,wenn ich dich nur erretten könnte!"

Ich kann's nicht glauben," sagte Rösner, indem er sich von seinein Stuhl erhob, wie von einer Hoffnung getröstet,daß König August es ruhig mit ansehen wird, wenn unsere Stadt Thorn, wenn ich selbst ein Opfer so tyrannischer Bedrückung werden sollte! Welche Dienste haben wir ihm im Schwedenkrieg geleistet! Sollte ihn nichts mehr daran erinnern, was wir in aufopfernder Hingebung für ihn getan haben?"

Gewiß gewiß!" rief Regina freudig erregt,er ist ja sanftmütig, er ist kein Tyrann!"

Doch wie zu ihm gelangen mit einem Gnadengesuch? Das wandert in die Kabinette. Die Räte werden's liegen lassen, die Sache hinzögern, da sie dem König unbequem sein könnte, denn alles, was seine schwelgerische Bequemlichkeit stören könnte, suchen sie ihm fernzuhalten."

Regina ging unruhig auf und ab, sie rang mit einem Ent­schluß; dann trat sie fest vor den Vater hin.

Laß mich gewähren, Vater gib mir einige Tage Urlaub!"

Du wolltest?!"

Frage mich jetzt nicht, frage mich später nicht! Wo alles auf dem Spiel steht, schwindet jede Rücksicht!"

Ich selbst würde nimmer zugeben, daß du dich irgend­einer Gefahr aussetzest um meinetwillen. Doch da es sich um dein eigenes Schicksal handelt, mein armes, mein verlassenes, verlorenes Kind so laß ich dir freie Hand, und keine un­geduldige Frage soll dich stören und hemmen."

Ein herzlicher Abschiedskuß! Rasch machte die Zofe das Reisegepäck zurecht, ein Schlitten hielt vor der Tür, und dann ging es über die Weichselbrücke in die Winterlandschaft hinaus. Vor einer verschneiten Dorfschenke hielt der Schlitten, und ein Bote eilte auf das Schloß, das auf einem Hügel lag und unter seinem Schneedach mit nicht ganz heilen Fensterscheiben hervor­blickte. Es währte nicht lange, so erschien Kasimir unten in der Schenke.

Ich will nach Warschau zum König, ihn um Gnade anflehen für meinen Vater du mußt mich dahin geleiten!"

Kasimir wäre kein ritterlicher polnischer Edelmann ge­wesen, wenn er nur einen Augenblick gezögert hätte. Wohl drohte ihm die Gefahr, daß der Onkel von dieser Fahrt Kunde erhielte.

Ein Abenteuer hätte er verziehen, das widersprach nicht den Hofsitten; doch ein Kavalier, der eines Verbrechers Tochter ge­leitete, machte sich zum Mitschuldigen! Kasimir hoffte indes, dem Fürsten die Fahrt mit der Tochter des Geächteten ver­bergen zu können. Schnell erteilte er seine Befehle; das Gesinde flog hin und her. Der Diener packte nach kurzer Anweisung Kasimirs Mantelsack; der Kutscher holte den Schlitten und die beiden mutigen Schecken herbei und nicht lange währte es, so saßen Kasimir und Regina in dem Gefährt, und eilig flog dieses dahin, hinaus in die weite verschneite Welt.

O wie selig wäre diese Fahrt.gewesen, hätten nicht hinter den beiden die Glocken von Thorn geläutet wie unheimliche Totenglocken, hätte nicht vor den Augen des Mädchens ein nicht zu bannendes Schreckgespenst gestanden der blutige Henker! Und doch, es gab Augenblicke, in denen das Glück der Gegenwart mächtiger war als alle Drohungen der Zukunft. Sie entzog dem Geliebten nicht ihre Hand, wenn er sie ans Herz drückte, und ein seliges Selbstvergessen kam über sie. Da schien alles ringsum verzaubert, über ihnen bildeten die Wipfel des Waldes in ihrem Schneegewand einen Bal­dachin von Hermelin, und in allen Zweigen funkelten die Edelsteine.

Doch aus solchen Träumen erweckte sie der unheimliche Chor der Dämmerung, das Gekrächze der Krähenschwärme, die sich in düsteren Linien von dem Grau des Spätabends ab hoben, und das Geheul der Wölfe.

In einer Herberge am Weg kehrten sie ein, alles so fried lich, so traulich, die Sterne der Nacht blinkten von oben herab. Der Vollmond lugte durch die Fenster; draußen die unbegrenzte Einsamkeit des Schneegefildes und die Weltenferne des Nachthimmels, eine heilige Stille, die keinen Verräter kennt. Sie schliefen unter einem Dach eine Feuerprobe der Liebe doch heilig ist das Unglück!

Und nach einem zweiten Tag und einer zweiten Nacht langten sie in Warschau an.

König August hatte die Polen an Glanz und Pomp zu gewöhnen gesucht; wenn er aus seinen Erblanden oder von den benachbarten Schlössern nach Warschau zurückkehrte, ent faltete sein Einzug stets eine königliche Pracht. Kasimir und Regina wurden Zeugen eines solchen Einzugs, und da sah diese zum erstenmal seit ihrer Kindheit den Herrscher des Landes, dem sie sich nähern wollte als Bittende. Heftiger schlugen ihre Pulse.

Da saß er auf perlfarbenem Roß in polnischem Gewand von Goldtuch, mit Hermelin gefüttert, und blauer Weste, Hut, Säbel, Gürtel, Sattel und Zeug mit Diamanten und Rubinen besetzt, und neben ihm schritten fünfzig Fußtrabanten in Schweizerkleidung. Regina faßte den König scharf ins Auge; sie wollte aus seinen Zügen ihr Schicksal lesen. Er war eine stattliche majestätische Erscheinung von herkulischer Kraft. Er machte einen durchaus ritterlichen Eindruck. Das volle Gesicht mit den großen freundlichen Augen atmete Lebens­freude und Kraftbewußtsein und nicht mehr ängstlich, sondern hoffnungsvoll sah Regina der Begegnung mit dem mächtigen Herrn entgegen.

Es war Kasimirs Aufgabe, diese Begegnung zu vermitteln; er kannte den Hof Augusts des Starken und wußte, daß er sich nicht an die Staatsdiener und Hofbeamten wenden durfte, um eine solche Zusammenkunft durchzusetzen. Er kannte den ersten Kammerdiener des Königs, der früher in den Diensten des Fürsten Lubomirski gestanden hatte. Kasimir meldete eine Bittstellerin an, die für das Leben eines

Verurteilten einen Kniefall tun wolle. Der Kammerdiener fragte nur, ob sie schön sei, und lächelte verschmitzt, als Kasimir dies bejahte. Es war eine Gefahr, in die sich Regina stürzte. Kasimir begleitete sie bis zu einer Seitentür des sächsischen Palais, dort fand sie den Kammerdiener, und dieser führte sie auf einer Seitentreppe hinauf in das Kabinett des Fürsten.

Der König empfing sie in einen: blausamtenen Pelzhaus­rock; er prüfte Gestalt und Gesicht des Mädchens, und der Erfolg dieser Prüfung war ein beifälliges Lächeln.

Regina kniete vor ihm nieder.

Was erbittest du von mir, schönes Kind?"

Das Leben meines Vaters, des Bürgermeisters von Thorn!"

Die gute Stadt Thorn sie hat mir im Schwedenkrieg Dienste geleistet und ihre Treue bewährt."

Und in Erinnerung daran fleht mein Vater die Gnade Eurer Majestät an! Er ist verurteilt von einer Kommission