Issue 
(1881) 295
Page
2
Turn right 90°Turn left 90°
  
  
  
  
  
 
Download single image

2

Jllustrirtc Deutsche Monatshefte.

von Herzen der ketzerischen Partei ergeben war und seine heftige Gesinnung gegen Rom und die päpstlichen Kreuzfahrer in mehr als Einem tapferen Sirventes mit den künstlichsten Reimen ausgesprochen hatte. Das Wunder wurde freilich ge­mindert, da diese flammenden Proteste nicht über die Mauern des Schlosses chinausdrangen und daher wie eine Faust in der Tasche den Gegner nicht reizen konnten. Es war nicht Feigheit, was den wackeren Baron daran hinderte, seine singenden Brandraketen frei und offen in den schwarzumwölkten Himmel steigen zu lassen. Er hätte, Aug' in Auge dem grimmen Simon von Montfort gegenüber, aus seiner Herzensmeinung kein Hehl ge­macht. Doch trug er überhaupt, so eifrig er in seinen Mußestunden sich mit der Versmacherei abgab, eine tiefe und ge­rechte Scheu, seine verstohlene Kunstübung irgend einem fremden Auge zu verrathen, da er sich in aller Demuth für nicht viel Besseres hielt, als was man heutzutage einen Dilettanten zu nennen Pflegt. Die Lust war groß, die Kraft gering, und seitdem einmal ein wirklicher Troubadour, dem er seine Exercitien schamhaft und zögernd vorgelegt, bittend, ihm reinen Wein einzuschenken, dem redlichen Manne alle poetische Phantasie abgesprochen und nur seinen reinlichen Versbau gelobt hatte, begab er sich des geliebten Zeitvertreibes gänzlich und wandte seinen Fleiß desto nach­drücklicher auf die Ausbildung seiner beiden Söhne Au störe und Peire,* die schon als Knaben eine besondere Lust zu allerlei Reim­werk zeigten und in denen er die Erfüllung alles dessen zu erleben hoffte, was in ihm selbst nur Traum und Wunsch geblieben war. Da er nun das Technische der Poeterei ganz wohl inne hatte, konnten seine Söhne in der That keinen besseren Lehrmeister erlangen als den eigenen Vater, und so

waren sie denn auch zu ganz fertigen jungen Meistern herangereift, als der treffliche Alte starb, nichts lebhafter bei seinem Scheiden aus der Welt beklagend, als daß es ihm nicht mehr vergönnt sein sollte, sich am Dichterruhme, der durch ihn selbst dem Hause Maensac nicht hatte blühen sollen, wenigstens in seinen Kindern zu weiden.

Die beiden Jünglinge, die gerade auf dem Punkt gestanden hatten, als flügge junge Sänger sich ans dem Nest zu schwin­gen, ließen sich durch die Trauer um den Tod des Vaters nicht lange zurückhalten, zumal ihnen die Burg nun doppelt öde und die Höfe und Fürstenschlösser der Provence um so verlockender erschienen. Sie übergaben ihren heimathlichen Besitz einem Verwalter, der hoch und heilig gelobt, des Gutes so getreu zu Pflegen, als ob der verklärte Ritter noch über­all selbst nach dem Rechten sähe, und zogen mit wohlgespicktem Beutel ans ihre erste Sängerfahrt aus. Da sie sich sehr- lieb hatten und von Kind an nie getrennt worden waren, gedachten sie auch ans ihrer Wanderschaft und bei der Ausübung ihres Berufes brüderlich verbunden zu bleiben. Doch schon nach kurzer Zeit er­kannten sie, daß dieser ihr Vorsatz nicht wohl durchzuführen sei, ohne ihrer bis­herigen einträchtigen Liebe und Treue Gefahr zu bringen. Es konnte nicht feh­len, daß sie. in eine unholde Nebenbuhler­schaft geriethen, sowohl bei schönen Frauen als auch in der Gunst der Großen, davon zu schweigen, daß auch ihre Spielleute oder Jongleurs sich mit schelen Blicken ansahen, wenn der Eine besser sang oder spielte als der Andere oder einen fetteren Bissen erschnappte. Als es zum ersten Mal so weit kam, daß sie die Burschen, die sich jählings in die Haare gerathen waren, mit Gewalt wie zwei in einander verbissene Doggen trennen mußten, sprach der ältere und allzeit weisere Austorc zu ! seinem Bruder:

* Die provenzalische Form für Pierre.