Issue 
(1881) 295
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Hcyse: Der ver

Lieber, es wird gut und heilsam sein, daß wir verschiedene Wege gehen, so hart es uns ankommt. Wir müssen versuchen, Jeder auf eigene Hand unser Glück zu machen, da zwei Maensacs an einem Orte des Guten zu viel zu sein scheinen. Willst du also nach dem Süden ziehen, so wende ich mich gen Norden, oder umgekehrt, je nach deinem Belieben. Wenn das Jahr verstrichen ist, wollen wir uns auf unserer väterlichen Burg wieder znsammenfinden und ohne Neid und Eifersucht eine fröhliche Woche mit s einander verleben und unsere Abenteuer anstauschen."

Peire, der Jüngere, der ein Träumer war und auf diesen klugen Einfall noch lange nicht gekommen wäre, war es gleich­wohl zufrieden, da es ihm heimlich wehe that, daß er seinen lieben Bruder mehr als einmal ausgestochen hatte. So umarmte er Anstorc, setzte sich mit seinem Spielmann zu Pferde und zog gen Süden, während sich Anstorc nach den schönen Auen der Durance begab, wohin ein Verwandter ihres Vaters die beiden Brüder geladen hatte. Auch ihn hatte es im Stillen schwer verdrossen, sich durch seinen Bruder in den Schatten gestellt zu sehen, zumal da er früher, noch in der väterlichen Lehre, für den Begabteren gegolten hatte. Und freilich war er an Kenntniß und Führung des Handwerkszeuges, bei seiner umsichtigen, kühlen und verständigen Natur, dem Jüngeren weit voraus gewesen und konnte für etwas Rechtes gelten, so lange sich's nur um pünktliche und peinliche Ausführung der Uebnngsaufgaben han­delte. Jetzt aber, im freien Menschen­verkehr und großen Weltleben, drang die vollsaftigere Natur seines Bruders mit Ungestüm durch, und Frauen und Herren ließen sich willig durch das Wehen seines Geistes fortreißen, ohne sich viel Gedanken darüber zu machen, ob auch nirgend gegen eine Regel der Kunst verstoßen sei und

rrau fte Gesang. 3

jeder Vers auf seinen richtigen vier oder fünf Füßen stehe. Von nun an hoffte Anstorc, seine Kunst, an der er durchaus nicht irre geworden war, ungehindert zur Geltung zu bringen, wie etwa ein kluger Gärtner dafür sorgt, einen schönen Spring­brunnen, der in mannigfachen zarten Strahlen aufschießt und sich kreuzende Bogen und Figuren bildet, nicht an einem Orte anzubringen, wo ganz in der Nähe ein freier Wildbach in natürlichem Fall über steile Klippen sich ergießt und mit s seinem heftigen Rauschen jenes gemäßigte Rieseln, Sprudeln und Verstäuben übertönt.

Als nun das Probejahr verstrichen war und die Brüder, ihrem Gelöbniß gemäß, sich auf Schloß Maensac wieder zusammensanden, war zuerst die Freude, daß sie sich wieder von Angesicht sahen, groß, und sie konnten nicht müde werden, mit verschlungenen Armen überall herum­zuwandeln und alle Stätten ihrer Knaben­spiele wieder anfzusuchen. Nur die Er­fahrung, die sie machten, daß sie in ihrer Abwesenheit von dem spitzbübischen Burg­pfleger schmählich betrogen worden waren, da er den Ertrag all' ihrer Ernten in einem schmalen Beutelchen vor sie hin­stellte, unter Vorgeben eines allgemeinen Mißwachses, trübte bedenklich den ersten Abend, wo sie beim Becher einander gegenübersaßen. Zumal der weltkluge Austorc, dem auch noch ein anderes heim­liches Ungenügen nachzugehen schien, ge- rieth bei der Entdeckung dieser argen Tücke in Hellen Zorn, schlug dem unge­treuen Mann den armseligen Zehnten, den er ihnen gönnen wollte, um die Ohren, hieß ihn auf der Stelle sein Bündel schnü­ren und die Burg mit dem Rücken ansehen und hielt dann, während Peire in den verschütteten Wein mit seiner Dolchscheide zierliche Figuren zeichnete, dem Bruder eine seiner wohlerwogenen Standreden, in denen er Meister war, da auch jener Ausbruch gerechten Ingrimms das Gleich-

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