Heft 
(1881) 295
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Jllustrirtc Deutsche Monatshefte.

veranschaulichen schon die Fundstätten von Künstlerinschristen deutlich genug diese Wanderung der Kunstübung nach Klein­asien im dritten und zweiten vorchrist­lichen Jahrhundert.

Doch die Zeit des Altarbaues scheint mir noch genauer bestimmbar: es liegt ja nach dem oben Erwähnten nahe, auch hier die entscheidende Besiegung der Galater als Veranlassung zu denken; aber erstens hat Eumenes ja diese in bedräng­ter Zeit und vielleicht eben deshalb, der Tradition des ersten Attalos folgend, in Bronzen andeutend verewigt, wie Plinius erwähnt, und dann scheint mir die ruhigste Periode von Eumenes' Regierung, zwischen 180 und 170, überhaupt ein viel wahrscheinlicherer Zeitpunkt für einen so großen und kostbaren Bau. Damals hatte Eumenes nach den Kriegen gegen Antiochos, gegen die Galater und gegen Prusias I. Frieden im Lande, sein Reich war größer und mächtiger als je zuvor; seine Freundschaft mit Rom, die ihn gegen alle Eventualitäten des Schicksals sicher zu stellen schien, war gerade damals, und nur damals, in voller Blüthe; eine solche Zeit ist nicht wiedergekehrt, und dem Fürsten, dessen Ban- und Ver­schönerungslust hinlänglich bekannt ist, konnte es wohl nahe liegen, die überstan? denen, oft sehr drohenden Fährnisse durch den Sieg der Götter über die Giganten zu verkörpern. Lag doch darin neben der Huldigung an die Athena zugleich ein Dank gegen die Götter alle. Denn wahr­lich, kaum einer der Unsterblichen scheint bei dieser Darstellung des Göttersieges gefehlt zu haben. Wie in einer späteren dichterischen Gigantomachie die Götter der Erde, des Meeres und der Unterwelt verbündet sich in den furchtbaren Kampf stürzen, den letzten, der ihre Herrschaft entschied, so ist auch hier, neben den großen bekannten olympischen Göttern und dem Halbgott Herakles, von dem das Orakel den endlichen Sieg abhängig machte, eine Fülle anderer größerer und geringerer Gottheiten, wie Poseidon und Okeanos, Eos und Selene, Triton und Enyo, Dione und Leto, Themis und Asterie, durch die gebliebenen Reste oder durch Inschriften als betheiligt gesichert. Es galt ja auch einen sieben Fuß hohen Fries, wenn man so sagen darf, von mehr

als 100 m Länge mit den Kämpfen zu schmücken, wenn man die abgekehrte, dem Mauerrande nahe Westseite der Ara hin­zurechnet (s. S. 46), sogar über 130, und freilich ist selbst von so viel mehr als die Hälfte in über neunzig großen Platten und Tausenden von Splittern und Frag­menten erhalten. Auf dem abfallenden Terrain im Süden des Altars bis zur späten Mauer lagen die Stücke zerstreut unter einer allmälig gewordenen Erdlage, mehr als dreißig große Stücke enthielt die Mauer, glücklicherweise mit den Bild­flächen nach innen gekehrt; vor der Ost­seite des Altars wurden besonders vier je zusammengehörige Gruppen bis hinauf zur Nordostecke gefunden; viele kleine Fragmente lagen im Norden, so gut wie nichts an der Westseite, wo das Terrain überhaupt am meisten einen abgenutzten Charakter trug.

Das Relief der Bildwerke ist ein sehr hohes, bei welchem Köpfe und Extremi­täten der Gestalten nicht selten ganz frei hervortreten; diese sind daher gewiß hier und da schon verhältnißmäßig früh und absichtlich abgebrochen und nur theilweise wiedergefunden worden. Im Allgemeinen ist die Oberfläche der frei unter Erde ge­lagert gewesenen Stücke stark corrodirt, bisweilen auch so, als wäre man lange darüber hinweggegangen; die Oberfläche der verbauten ist sehr viel besser, nicht selten untadelhast erhalten und braucht nur vom harten Mörtel gereinigt zu werden, um wieder im alten Glanze her­vorzutreten.

Innerhalb des Hautreliefs findet die größte, oft bis zum Malerischen getrie­bene Mannigfaltigkeit statt im Hervor­treten, Zurücktreten, im Verkürzen und theilweisen Verschwinden der Gestalten und ihrer Gliedmaßen.

Erst allmälig wird das Gesammtbild der Darstellung klarer; auch das ist als eine Gunst des Zufalls zu preisen wenn es nicht mehr und etwas Anderes ist (s. S. 45), daß von den Resten doch so viele zunächst zu kleineren Gruppen zusammengefügt werden können.

Ich will versuchen, den ersten allgemei­nen Eindruck der gewaltigen Decoration in Worte zu fassen, obgleich ich mir wohl bewußt bin, daß es auch dann noch zur richtigen Vorstellung einer Phantasie be-