Hirschfcld: Die Sculpturcn von Pergamon.
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folgte auch der Treppe, den Stufen sich anschließend und dabei immer mehr sich verkleinernd. Von den zwei so entstandenen Treppenwangen ist die eine ziemlich vollständig erhalten, dadurch ist zugleich die Steigung des Aufganges gegeben und die ganze Höhe des Unterbaues einfach zu berechnen. Wir haben hier also einen jener seltenen Fälle vor uns, in denen wir außer dem ursprünglichen Orte auch noch den außerordentlich wichtigen Factor der Art und Höhe der Aufstellung kennen; dann aber ist ja auch der Inhalt des Kunstwerkes unzweifelhaft, und endlich kommt zu diesen günstigen Umständen als der bedeutendste noch hinzu, daß wir auch die Zeit der Schöpfung wenigstens annähernd anzugeben vermögen. Nur den oder die Künstler hat ein tragischer Zufall ihres verdienten Nachruhmes beraubt. In Bezug auf die oben (S. 29) erwähnten Weihgeschenke sagt Plinius (Hwtor. rmt. 34, 81): „?Iurs8 3rti6ss8 t'sssrs ^tNcki st Üwmsnm LävsrLus 6la1lo8 proslia, l8i^o- nu8, U^romg,6llu8, 8tratonl6U8, ^ntiZo- NU8" — „Mehrere Künstler bildeten des Attalos und Eumenes Schlachten gegen die Gallier (das sind die Galater im Inneren Kleinasiens), Jsigonus" u. s. w. Aber diese Künstler bildeten noch mehr als die Galaterkämpfe, denn offenbar Nachbildungen ihrer Bronzegruppen sind es, von welchen Pausanias (I, 25, 2) schreibt: „Auf der Akropolis von Athen an der Südmauer steht der Gigantenkampf ..., dann die Schlacht der Athener gegen die Amazonen, ferner die Schlacht von Marathon gegen die Meder und die Niederlage der Galater in Mysien; diese sind Geschenke des Attalos. Jede Figur ist zwei (griechische) Ellen hoch", das sind etwa 93 am. Die Originale aller dieser Gruppen, nicht bloß der Galater, werden sich aber auch zu Pergamon befunden haben, und Copien dieser werden im sterbenden Gallier sowie in der Gruppe der Villa Ludovisi zu erkennen sein. Die von den Pergamenern nach Athen gestifteten Nachbildungen mögen in Marmor gewesen sein, und von ihnen sind wohl zum Theil jene im Anfang (S. 29) erwähnten, weit verstreuten Statuen von etwa drei Fuß Höhe übrig geblieben (kämpfende und fallende Perser und Galater, eine getödtete Amazone und ein gefallener Gigant), welche
von Brunn nach Größe, Stil und Arbeit als zusammengehörig erkannt worden sind. Ein kämpfender und ein gefallener Perser mögen hier eine Anschauung von diesen Statuen geben. (S. 43 u. 45.) Diese bieten neben gewissen Härten, welche ihren Grund vielleicht wirklich in der Uebertragung aus Bronze haben, eine lebensvolle, natur- wahre und doch noch ideale Auffassung der Körperformen und Bewegungen, wenn wir auch Brunn mm nicht mehr darin Recht geben können, daß die Pergamenische Kunst zu Attalos' Zeit vollständig entwickelt war. Die pergamenischen Fürsten fundamentirten also nach alter griechischer Weise ihre eigenen Thaten im Mythos und in der Vorgeschichte; es ist echt hellenisch und mehr als einmal beliebt worden, den Sieg über Barbaren symbolisch durch Giganten- und Amazonenkämpfe auszudrücken.
Die Feindschaft zwischen einem Theile der Galater und den Pergamenern war freilich beinahe erblich, aber namhafte Siege haben über sie nur Attalos I. um 229 und Eumenes II. zwischen 168 und 166 erfochten. Diesen zwei Perioden also verdankten die bei Plinius genannten Bronzegruppen ihre Entstehung, und in der That sind jetzt aus der Burg von Pergamon Stücke von Inschriften gefunden worden, welche zu jenen Erzwerken gehörten und demnach auch einen zwiefachen Schriftcharakter, einen älteren und einen jüngeren, zeigen. Andererseits sind aber auch zum Altar gehörige Beischriften erhalten: am Gesims über dem Relief Namen der Götter, am Ablauf darunter die der Giganten und — beklagenswerth genug — nur ein Fragment des Künstlernamens ^ . . . Die hier gebrauchten Schriftzüge überstimmen mit jenen jüngeren sowie mit einer anderen Inschrift überein, welche ebenfalls Eumenes II. angeht. In die Regierungszeit dieses ausgezeichneten Fürsten, also zwischen 197 und 159 v. Ehr., fällt die Erbauung des Altars, und so hätten wir denn in den übrig gebliebenen Schöpfungen der pergamenischen Kunst die Mittelglieder zwischen dem Moment, da im eigentlichen Griechenland die großen Aufgaben der Kunst und damit ihre lebendige Entwickelung aufhörten, und dem, in welchem die griechische Kunst nach Rom hinüberzog. Nebenbei bemerkt,