Heft 
(1881) 295
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Jllustrirtc Deutsche Monatshefte.

menischen Werke nur ganz vereinzelt Nach­weisen können, da wir doch die Spuren dieser Bildung schon bis in die alexandri- nische Poesie zu verfolgen vermögen.

Wäre es nicht das wirre ungeordnete Haupt- und Barthaar der Giganten, so würden ihre Köpfe von denen der Götter nur im Ausdruck verschieden sein;* diesem aber geben zumeist die Angen, welche tief eingeschnitten und daher tief beschattet und zugleich oft etwas schräg gegen ein­ander gestellt sind, einen schmerzlich me­lancholischen Charakter wie es unsere Sagen bei den ebenfalls an ihr Element gefesselten Wassergottheiten kennen. Das bittere Weh über ein unvermeidliches Schicksal, das man im sterbenden Gallier des Capitols so eindrucksvoll gefunden hat, hier spricht es, zumal in den Unter­legenen, mit tief ergreifender Kraft und Wahrheit.

Ruhig schauen die Götter darein, wenigstens die älteren bärtigen, die frei­lich gering an Zahl sind und weniger be­deutenden Gottheiten anzugehören scheinen; das einzig erhaltene jugendliche Antlitz des Helios, der eben den emporrollenden Wagen besteigt, blickt starr und zürnend. Die Köpfe der Göttinnen mit ihren weit geöffneten Augen und weichen Umrissen belebt ein Ausdruck ruhiger siegesgewisser Heiterkeit, während in dem leicht geöffne­ten Munde die Spannung des Kampfes sich ausspricht. Schwerer, Speere und Pfeile sind die göttlich.n Waffen, doch auch der Blitz und Fackeln, selbst ein Gefäß.

Wie die griechische Kunst sich wandelt, wird zumal an den Köpfen erkennbar; in einer früheren Zeit giebt ihnen die Be­wegung des Körpers erst ihr Leben, isolirt erscheinen sie leblos und allgemein; dann dringt der Ausdruck auch in sie, lange bleibt er einfach und typisch, endlich diffe- renzirt er sich, das ferne und hohe Ziel ist erreicht, das Haupt ist nun nicht bloß der Träger des Gedankens, sondern wird jeglicher Stimmung gerecht. Das ist hier der Fall, und doch nicht so, daß die Leiber darüber vernachlässigt werden oder verlieren. Klein erscheinen auf den ersten

* Lange galt in Berlin ein Gigantenkopf, der erst später seinen sicheren Platz fand, für den des Gottes Poseidon.

Blick die Götter; das Gewand, das ihnen absichtlich gegeben ist, weil es keinem von ihnen fehlt, und das sie breiter erscheinen lassen könnte, umschließt eben nur selten einen größeren Theil ihrer Körper, die, meist wenig verhüllt, in ihrer strahlenden, idealen jugendlichen oder männlichen Schön­heit hervortreten; überdem ist ja auch ihre Ueberlegenheit keine körperliche, irdische. Größer erscheinen die Frauen, nicht bloß weil sie den Männern an Wuchs gleich­stehen, sondern auch weil sie von weiten, wallenden Gewändern umhüllt sind, die meist nur kleine Theile der Schultern, die vollen Arme und die zierlich beschuhten Füße frei lassen. Ueber einem sein sich kräuselnden Unterkleide, als dessen Stoff vielleicht rohe Seide gedacht ist und das, eng sich anschmiegend, am Körper hinfließt, liegt oft erst das weite obere Gewandstück in tiefen schweren Falten; auch in diesem ist durch die eigenthümlichen Kniffe, die vom Zusammenlegen herrühren, ein be­stimmter starker Stoff angedeutet * Hier nun offenbart sich das Wollen und Können der Künstler aufs Neue; wohl umhüllt auch hier noch das Gewand die Körper, ohne sie zu verhüllen, denn voll und deutlich treten ihre Formen und Contouren darunter hervor, aber daneben hat die Bekleidung ihr eigenes Leben, ohne doch bis auf einige wenige Fälle in ein barockes Ueberwnchern selbständiger Motive aus­zuarten, fällt in unzähligen, immer tieferen Falten herab, gleich als könnten die Künstler sich gar nicht genug thun in der Erfüllung der schwierigsten und mühevollsten Auf­gaben; und die Unterhöhlnngen, die nach menschlicher Berechnung nie ein sterbliches Auge hätte prüfen können, sind gerade so sorgsam und vollendet wie die Oberflächen der Kleider. Da ist kein Stück nachlässiger gearbeitet, weil etwa die Glieder einer anderen Fignr es verdeckten; Helios' un­teres Gewand ist, wo es der davorstehende Wagenstuhl auf immer unsichtbar machte, ausgeführt, als wäre es bestimmt, am vollen Tage zu liegen; unter und hinter dem einen Pferdekopfe seines Zweigespannes war eine geschickte Hand Tage lang geschäf-

* Bei einzelnen, so bei dem umgeschlagenen Ge- ivandbausch über dem nicht sichtbaren Gürtel der Hekate, glaubt man noch im Marmor die Finger- cindrücke an einem danach vorauszusetzenden Thon­modell zu erkennen.