Ellernklipp.
Nach einem Harzer Kirchenbuch.
Von
Theodor Fontane.
i.
n einem der nördlichen Harz- thäler, in Nähe der Stelle, wo das Emmethal in das flache Borland ausmündet, lagen in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts Dorf und Schloß Emmerode; jenseits des Dorfes aber, einige hundert Schritte weiter thalanfwärts, wurde ein einzelnstehendes, hart in die Bergwand eingebautes Haus sichtbar, das in seiner Front ein Paar Steinstufen und eine Vorlaube von wildem Wein und über der Thür ein Hirschgeweih zeigte. Hier wohnte Baltzer Bocholt, ein Westsälinger, der in jungen Jahren in Kur-Trier als Soldat gedient hatte, späterhin aber nach Emmerode gekommen und um seiner guten Führung willen erst ein gräflicher Haidereiter und einige Jahre später, durch Heirath mit des alten Erbschulzen Aleswant einziger
Tochter, ein über seinen Stand hinaus ver- möglicher Mann geworden war. Er hatte nun Haus und Hof und Amt und Frau, dazu den Respect in Dorf und Schloß, und ging stolz und aufrecht einher und freute sich seines Glückes, bis er nach einer elfjährigen friedfertigen Ehe zum ersten Male den Unbestand alles Irdischen an sich selbst erfahren mußte. Die Frau starb ihm Plötzlich und ruhte jetzt — seit zwei Monaten erst — an der Berglehne drüben, die, dreifach abgestnft, auf ihrer untersten Stufe den von Mauer und Stech- ^ Palmen umfaßten Kirchhof, auf ihrer mitt- l leren die kleine Capellenkirche zum Heili- ! gen Geist und auf ihrer höchsten das ! zacken- und giebelreiche Schloß der alten i Grafen von Emmerode trug.
! Es war im September und der Haide- ; reiter eben von Jlseburg zurück, wohin
M onatsl, este. N. 29k. — Mai 1881 . — Vierte Folge. Bd. Vl. 32.
10