Jllustrirtc Deutsche Monatshefte.
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er sich, um ein eisernes Gitter für das Grab seiner Frau zn bestellen, in aller Frühe schon begeben hatte, als er Pastor Sorgens alte Doris über die Straße kommen und gleich darauf in den Flur seines Hauses eintreten sah.
„Nun, Doris, was giebt's?"
,,'nen Brief vom Herrn Pastor."
Und der Haidereiter, der noch in seinem Staatsrock war und eben erst Miene machte, den Hirschfänger abzulegen, nahm ihr den Brief ab und las ihn, nachdem er sich mit einem Anfluge von Wichtigkeit ans Fenster gestellt hatte. „Die Mnthe Rochuffen ist diese Nacht gestorben, und ihr Kind ist bei mir. Ich wünsche mit Euch vertraulich darüber zu sprechen und sehe demnächst Eurem Besuch entgegen."
Baltzer Bocholt klappte das Papier wieder zusammen und ließ mit seinem „ergebensten Empfehl" zurücksagen, daß er sich gleich die Ehre geben und vor Seiner Ehrwürden erscheinen würde, bei welchem Titel, als ob ihr derselbe mit gegolten hätte, Doris einen Dankesknix vor dem Haidereiter machte. Dieser aber sah ihr nach und beobachtete von seinem Fenster aus, wie sie, statt über den Brückensteg, über die sechs Steine ging, die durch den Bach gelegt waren, und eine Minute später in dem Vorgarten der halb schon unter den Kirchhofsbäumen versteckten Pfarre verschwand.
Inzwischen hatte des Haidereiters Magd oder, um ihr ihre volle Ehre zu geben, die stattliche Person von über dreißig, die seit dem Tode der Frau dem Hauswesen Vorstand, ein Frühstück aufgetragen. Aber Baltzer Bocholt setzte sich nicht, weil ihn der Brief doch unruhig oder neugierig gemacht hatte, und keine halbe Stunde, so ging er ans die Pfarre zu, strich gewohnheitsmäßig über das große runde Kratzeisen hin, trotzdem seine Sohlen so sauber und trocken waren wie der Weg, den er gekommen, und trat in den Flur.
Und gleich darauf auch in die Studir- stube des Pastors Sörgel.
Er war oft in dieser Stube gewesen, und der Friede, der darin weilte, hatte mehr als einmal zu seinem Herzen gesprochen. Aber doch nie so wie heute. Die Wanduhr ging, und die dicke Schwanenfeder kritzelte hörbar über das Papier; in die Nähe des Fensters aber war ein Schemelchen gerückt, ans dem ein Kind saß, das in einer großen Bilderbibel blätterte.
Der Alte legte die Feder nieder, reichte dem Haidereiter die Hand und sagte zn dem Kinde: „Hilde, du kannst nun in den Garten gehen und dir pflücken, was du willst. Und kannst auch die Bibel mitnehmen. Aber sei vorsichtig und mache keinen Fleck."
Das Kind that, wie ihm geheißen, und nur die Bibel ließ es zurück. Nicht aus Trotz, wohl aber aus Respect.
„Lieber Bocholt," nahm der Geistliche das Wort, als Hilde gegangen war, „ich Hab' Euch rufen lassen. Ihr wißt, was es mit der Mnthe war, aber ich denke, wir geben ihr ein gutes und ordentliches Begrübniß und fragen nicht erst lange."
Baltzer nickte zustimmend.
„Aber," so fuhr der Alte fort, „da haben wir nun die Hilde. Wohin mit ihr? Ihr kennt die Gräfin und wißt, wie's drüben steht, oder sagen wir, wie's im Herzen der Gnädigen aussieht; ihr Stolz wird größer sein als ihr Mitleid, und sie wird ihre Hand abziehen und sich's zurechtlegen in ihrem Gewissen. Denn es giebt immer Gründe für das, was wir wünschen... Aber Ihr, Baltzer Bocholt, Ihr wäret der Mann. Ihr könntet's! Und es wär' ein christlich Werk."
„Es fehlt die Frau, Herr Pastor. Eben komm' ich von Jlseburg und habe das Gitter bestellt."
„Es fehlt die Frau. Wohl. Aber sie wird Euch nicht immer fehlen. Ihr seid noch rüstig und werdet drüber hinkommen; und das weiß ich, es sind ihrer viele..."