Heft 
(1881) 296
Seite
173
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Fontane: Ellernklipp. 173

-- und ich Hab' es dir oft gesagt, und du hast es mir nachgesprochen, so gewiß auch ist ein Teufel. Und sie haben Beid' ihre Heerscharen. Und nun höre wohl. An die lichten Heerscharen, da glauben sie, die Klugen und Selbstgerechten, aber an die finsteren Heerscharen, da glauben sie nicht. Und sind doch so sicher da wie die lichten. Und thun beide, was über die Natur geht, über die Natur, so weit wir sie verstehen. Und thun es die guten Engel, so heißt es Wunder, und thun es die bösen Engel, so heißt es Spuk."

Und meint Ihr, daß auch die Gräfin drüben daran glaubt?" entgegnete Hilde.

Die glaubt daran, denn sie hat davon an ihrem eigenen Haus erfahren. Aber auch das Wunder und die Gnade. Denn ihr Urahn, der war Kämmerling im Dienste von Herzog Heinrich, von dem du wissen wirst. Und als Herzog Heinrich, wiederkam ans dem gelobten Lande und der Spuk und der Versucher überwunden waren, da war Alles Wunder und Gnade. Wunder und Gnade durch viele Jahre hin."

O, erzählt mir davon! Und danach auch von dem Kämmerling."

Melcher Harms lächelte, daß ihr der Urahn der Gräfin so vor Allem am Her­zen zu liegen schien, und begann dann, während er sein Strickzeug wieder in die Hand nahm:Es sind nun schon viele hundert Jahre, und unser Schloß drüben hatte noch keine Zacken und Giebel, da war Alles hier herum ein großes, großes Land, und der Herr in dem Lande war Herzog Heinrich. Das Land aber hieß, wie heute noch, das Braunschweiger Land. Und als Kaiser Rothbart auszog, um das Grab zu gewinnen, da zog auch der Herzog Heinrich mit ihm, und seine Her­zogin Mechthildis ließ er zurück in seinem Schloß."

Und auch den Kämmerling?"

Auch den."

Und wie hieß der?"

Einhart von Burckersrode. Der blieb bei der Herzogin und war schon alt. Herzog Heinrich aber fuhr mit dem Kaiser flußabwärts viele, viele Wochen lang. Und ans Ostern kamen sie bis an eine große Stadt, die schon am Meere lag, und empfingen Geschenke, so viel, daß sich Jeder, der mit ihnen war, in Sammet und Seide kleiden konnte."

In Sammet und Seide!" bewunderte Hilde.

Und danach stiegen sie wieder zu Schiff und fuhren dem gelobten Lande zu. Aber sie fanden es nicht, und Alle starben Hungers; und als die Noth am größten war, da senkte sich ein Wunder­vogel herab, den sie Greis nennen, der hob den Herzog in seinen Fängen aus und trug ihn ans Ufer in sein Nest. Da waren viel junge Greife, die die Hälse nach ihm reckten, aber er erschlug sie, groß und klein, und nahm eine Greisen- klaue mit sich. Die hängt im Dome bis diesen Tag."

Ich weiß. Aber wie geht es weiter?"

Und danach stieg unser Herzog aus dem Greifennest und sah sich in einem tiefen Walde, darin ein Drachen und ein Löwe mit einander kämpften. Er aber stellte sich zu dem Löwen und tödtete den Drachen. Und von Stund' an war ihm der Löwe treu und unterthan und trug ihm die Hirsch' und Rehe zu.

So zogen sie mit einander eine lange Strecke Wegs; aber der Wald war endlos, und sie kamen nicht heraus.

Da befiel den Herzog eine tiefe Trauer, zumal wenn er an sein Land und seine Herzogin gedachte. Denn es ging mm schon in das siebente Jahr, daß er aus­gezogen war. Und als er so lag, erschien ihm der Versucher und sagte: -Gestern Mittag ist ein Anderer bei dir eingezogen und will Wirthschaft halten. Und er nimmt dein Weib und dein Land? Und