172 Jl ln st riete Deut; che Monatshefte.
senden Hange, den Alten seine Märchen' und Geschichten erzählen zu hören, einfach in einem lebhaften Gefühle des Dankes und der Liebe. Schon aus ihrem heute so freudig bewegten Gange sprach dieses ^ Gefühl, und Joost, der fein Sielenzeug ^ eben über den heiß von der Mittagssonne ^ beschienenen Zaun hing, sah ihr nach und sagte: „Sich moal. Mit eens wedder prall und drall."
Und ihr leichter Schritt hielt an und verrieth nichts von Ermüdung. Aber der Weg mußte doch anstrengender gewesen sein als sonst, denn sie war erhitzt, als sie bei Melcher Harms oben ankam. Der saß aus einer großen Graswalze, sein Strickzeug in der Hand, und sagte: „Du kommst wieder wegen der Milch, Hilde. Warum schickst du nicht Mutter Rentsch oder die Christel?" Und dabei nahm er ein groß Stück wollenes Zeug, das ihm als Mantel diente, und warf es ihr über Kops und Schulter; denn so heiß es auf dem Wege hinauf gewesen, so herbstlich kühl war es oben am Waldrande hin, an dem die Heerde weidete.
Hilde ließ sich die Vermummung gefallen, sah ihn freundlich an und sagte: „Die Milch? Ihr wißt ja, Vater Harms, es ist nicht wegen der Milch, es ist wegen Euch, daß ich komme. Der Vater ist fort nach Jlseburg, und erst um die sechste Stunde will er wieder da sein und einen frohen Tag haben. Denn er hat heute Geburtstag. Neunundvierzig. Und ich finde, es sieht's ihm Keiner an."
„Da hast du Recht," antwortete der Alte. „Und ich will dir sagen, woher es kommt. Er hat die Kraft. Und die Kraft hat er, weil er Gott hat und lebt nach seinen Geboten. Und wäre der da drüben nicht — und dabei wies er nach dem Pfarrhause hinüber, ans dessen Dach eben ein friedlicher Rauch aufstieg —, so hätt' ich ihn lang in unserem Saal. Aber ich mag es dem Sörgel nicht anthun, ob-
wohlen er auf dem Jrrpsad ist. Und kann kein Friede sein zwischen ihm und mir."
„Er hat aber die Liebe," sagte Hilde.
„Ja, die hat er. Nicht die große, die hebt und heiligt und die nur gedeiht, wo der Boden des rechten Glaubens ist; aber die kleine hat er, die heilt und hilft. Und weil er sie hat und weil er das hat, was die Menschen ein gutes Herz nennen, darum lass' ich ihn und decke seine Schwäche vor aller Welt nicht auf."
Unter diesem Gespräch hatte sich Hilde wieder aus dem Stück Zeug heransge- wickelt und warf es ein paar Schritte hinter sich aus eine Stelle zu, die hoch in Gras stand, als ob sie bei der letzten Heumaht vergessen wäre. Die vordersten Bäume des Waldes traten bis dicht heran und bildeten ein Dach darüber.
„Es ist keine gute Stelle," sagte der Alte, während er sich halb umwandte. „Da liegt der Heidenstein. Und ist ein Spuk dabei."
„Spuk!" lachte Hilde. „Spuk! Und Ihr glaubt daran, Vater Melcher? Ich nicht, und der alte Sörgel auch nicht. Und wenn er hörte, daß Ihr von Spuk sprecht, so würd' er auch wohl von , Jrrpsad* sprechen. Aber von Eurem!"
„Ja, das würd' er," antwortete Melcher- Harms. „Ein Jeder nach seinen Gaben. Und der Alte drüben ist arm und dunkel. Am dunkelsten aber da, wo seine Vernunft und seine Weisheit anfängt und sein Licht am Hellen Tage brennt. Denn der halbe Glaube, der jetzt in die Welt gekommen ist und mit seinem armen irdischen'Licht Alles ausklären und erleuchten will und sich Heller dünkt als die Gnadensonne, das ist das unnütze Licht, das bei Tage brennt."
„Aber, Vater Melcher, Ihr sprecht von halbem Glauben und steht mit Eurem Spuk in dem, was schlimmer ist, im Aberglauben."
„Nein, Hilde. So gewiß ein Gott ist