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Fontane: Ellern klipp.
daß es eine Hochzeit sei. Da nahm er einen Ring vom Finger, gab ihn dem alten Burckersrode — dem Kämmerling — und beschwor ihn, daß er den Ring zur Herzogin Mechthildis hineintrage. Und als diese des Ringes ansichtig wurde, hob sie sich von der Tasel und sagte: ,Das ist meines lieben Herrn Ring, und er ist wieder da und ist nicht todt, und ich will ihn sehen und wieder die Seine sein? Und als sie so gesprochen, führte man den Fremden, von dem der Ring kam, in die Halle des Schlosses, und die Herzogin sank vor ihm nieder und rief: -Ich danke Gott, daß er mein still Gebet erhöret hat? Und sie lud ihn neben sich, und Alle sahen nun, daß es der Herzog war, und Jeder gedachte der alten Zeit; aber des falschen Bräutigams, um dessentwillen die Hochzeitstafel angerichtet worden, gedachte Keiner mehr."
Da jubelte Hilde, daß es so gut gekommen, und Melcher Harms freute sich ihres Frohsinns und schloß: „Und ein fromm und herrlich Regiment begann all umher und konnte nicht anders sein in seiner Nähe. Denn er war, wie Fürsten sein sollen: treu und tapfer und gnädig und gerecht. Und hatte den Glauben. Und als er siebzig alt war, da ließ er sein Gemahl rufen und sagte: , Meines Lebens Leben ist nicht lange mehr, und ich befehle nun Leib und Seele Christo Jesu, meinem lieben Herrn. Der wolle mein pflegen in Ewigkeit? Und so starb er, und das Land ging in Trauer, und in Trauer ging Mechthilde, sein Gemahl. Aber der Löwe legte sich ans seines Herrn Grab und nahm nicht Speise noch Trank. Und so lag er und regte sich nicht, bis auch er gestorben war."
„Und das ist da, wo noch heute der Löwe steht. Weißt du, Martin?" Und Hilde dankte dem Alten und sah nach dem Schloß hinüber, das eben jetzt im vollen Scheine der Nachmittagssonne datag. Ein
Habicht schwebte still und mit ausgebreitetem Flügelpaar darüber und schoß endlich in den finsteren Eichenwald nieder, der den alten Giebelbau drüben in seinen Armen hielt.
Und alle Drei sahen's und hingen ihren Gedanken nach und hörten nichts als das nahe und ferne Heerdengeläut und dann und wann das Echo, wenn ein Schuß in den Bergen fiel.
Am stillsten aber war der Alte geworden, und Hilde, die gern wissen wollte, was es sei, sagte: „Geh' vorauf, Martin."
„Ihr wollt wieder allein sein," lachte dieser. „Aber wie du willst. Nur verplaudere dich nicht und bleib' nicht zu lang. Um die sechste Stunde will der Vater wieder da sein. Du weißt, er hat es nicht gern, wenn wer fehlt. Und nun gar heut'."
Und damit lies er schräg über die Berglehne fort und aus die lange Buchenhecke zu, die zu des Haidereiters Hause herniederführte.
Beide sahen ihm eine Weile nach. Dann sagte Hilde: „Ihr habt etwas, Vater Harms. Und es ist was mit dem Martin. Ich weiß wohl, Ihr seht Alles und habt nichts Gutes gesehen. Sagt mir, was es ist."
Er schwieg und schien unschlüssig in sich abzuwägen. Endlich aber nahm er Hildens Hand und sagte: „Ja, du hast Recht, es ist was mit dem Martin... Er hat auf dem Heidenstein gelegen."
„O, das Hab' ich auch."
„Es ist ein Opferstein. Und sie sagen: wer darauf schläft, den opfern die finsteren Mächte."
„Ja, wer darauf schläft!"
„Aber ich denke, Kind, ich Hab' es weggebetet."
„Könnt Ihr das, Vater Harms?"
„Nicht immer. Aber oft. Das Gebet kann viel, und du wirst es noch erfahren. Aber erfahr' es nicht zu früh, Hilde.