1.76 Jllustrirtc Deutsche Monatshefte.
Denn ich mnß es dir noch einmal sagen, wir beten erst, wenn wir im Unglück sind. Und ich wünsche dir glückliche Tage. Ja, Kind, auch irdisch Glück ist süß."
Ueber Hilden ergoß es sich blutroth, und es war ihr, als habe er in ihrem Herzen gelesen. „Ich muß mich nun eilen," sagte sie, während sie sich rasch erhob und, ohne sich um die leer gebliebene Kufe zu kümmern, über die Wiese hin bergab lief, immer in derselben Richtung, die Martin vor ihr genommen hatte.
Der alte Melcher aber war nur noch ernster und nachdenklicher geworden und redete halblaut und in abgerissenen Sätzen vor sich hin: „Ich werd' es nicht wegbeten, und Keiner wird es. Ihr Blut ist ihr Los, und den Jungen reißt sie mit hinein. Es geschieht, was muß, bald schon, und die Wunder Gottes sind Ihm keine Wunder. Wir sehen sie nur so... Ewig und unwandelbar ist das Gesetz."
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Es war eine Stunde später, und Martin und Hilde sahen von der Vorlaube her, unter der sie Platz genommen hatten, immer den Weg hinauf, auf dem der Vater zurückkommen mußte. Dabei traf ihr Blick, er mochte wollen oder nicht, auch auf den halb in einer Brombeerhecke versteckten Backofen, vor dem Griffel emsig beschäftigt war und den eisernen Vorsetzer abwechselnd auf- und zuschob. Jetzt aber schien sie zufrieden mit dem Befund und zog auf einer breiten Holzschippe die Bleche heraus, auf denen sie die Geburtstagskuchen für den Abend gebacken hatte, einen Streußel- und einen Kronsbeerkuchen, welchen letzteren der Haidereiter allem anderen vorzog. Aber der Rand mußte braun sein und am liebsten halb verbrannt. Eine Luftwelle trug den brenzlich-würzigen Duft herüber, und Martin sagte: „Freust du dich auf den Abend?"
„O gewiß! So sehr ich mich freuen kann."
„So sehr du dich freuen kannst! Was heißt das? Du wirst dich doch freuen können. Jeder Mensch kann sich freuen."
„Ja," wiederholte Hilde, „jeder Mensch kann sich freuen, und ich auch. Und wenn ich sage, so sehr ich mich freuen kann, so mein' ich an unserem Tisch und in unserem Haus."
Als Hilde so gesprochen hatte, nahm Martin ihre Hand und seufzte. „Ja, das ist es. Und daß ich's dir nur gesteh', ich hatte dich auch recht gut verstanden. Ich wollt' es nur deutlicher hören. Ach, was ist das für ein Leben! Ich möchte vergehen. Er meint es ja gut mit uns, mit mir vielleicht und mit dir gewiß... Ja, ja, Hilde, das darfst du nicht bestreiten: er zieht dich vor. Aber glaube nur ja nicht, daß es das ist. Nein, nein, er soll dich vorziehen; ich bin nicht böse darüber und gönne dir Alles. Alles und dann immer noch was dazu. Nein, Hilde, das ist es nicht. Sie sollen dich lieben, Jeder, und versteht sich, am meisten ich... Ach, ich glaub', ich sterbe, so lieb Hab' ich dich."
Und dabei glitt er nieder und legte schluchzend den Kopf aus ihre Kniee.
Das aber gab ihr einen Schreck und eine Herzensangst, und sie bat und beschwor ihn, abzulassen und wieder aufzustehen. „Ich hätte den Tod, wenn's die Griffel sah'. Ach, ich kenne sie; sie war anders sonst; aber jetzt hat sie nur spitze Reden für mich und ist hämisch und neidisch, weil ihr so gut gegen mich seid und mir Alles zu Willen thut: der Vater und der alte Sörgel und der alte Melcher Harms oben. Ich bitte dich, Martin, steh' auf... Sieh, sieh nur, jetzt hat sie's gesehen!"
„Laß sie. Mir gilt es gleich. Sie soll es sehen. Jeder soll es sehen. Und er auch."
„Um Gotteswillen, nein, er nicht! Ich weiß nicht, Martin, was es ist, aber