Heft 
(1881) 296
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Fontane: L

er darf es nicht sehen. Ich les es ihm von der Stirn, er will es nicht. Er will, daß wir Geschwister sind, das mußt du doch auch wissen, und Bruder und Schwe­ster ist sein drittes Wort. Und was er sonst noch will, das weiß ich nicht. Nur das weiß ich, daß er mich immer so an­sieht, als ob ich was Anderes war' und was Apartes und Alles nicht gut genug für mich. Auch du nicht. Und letzten Erntekranz, als er uns tanzen sah, da hört' ich auch so was. Und ist doch Alles Thor- heit und Unverstand und schafft mir bloß Neid und Mißgunst. Und bedrückt mich bloß. Ja, das ist es. Ach, Martin, ich bin ihm gut, weil er gut gegen mich ist; aber ich weiß nicht, ich fürchte mich vor ihm."

Und ich auch, Hilde. Ja, ja, das ist es. Aber ich will mich nicht länger fürchten und schäme mich meiner Furcht. Denn vor seinem Vater soll man sich nicht fürchten."

Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren!"

Ehren! wohl. Aber da liegt eben der Unterschied. Ehren soll man sie und Respect haben. Und wenn du das zu- sammenthust, so hast du die Ehrfurcht. Und die Ehrfurcht, die ist gut. Aber bloß Furcht, das ist falsch und schlecht und feig. Und ich will es nicht länger!"

Ich glaube wohl, daß du Recht hast. Aber übereile nichts. Und jedenfalls nicht heute. Du weißt..."

In diesem Augenblicke hörten sie das Anschlägen eines Hundes vom Dorfe her, und gleich darauf wurde der Jagdwagen zwischen den Zweigen des Weges sichtbar. Es war also höchste Zeit, abzubrechen, und Beide huschten um so rascher und ängstlicher ins Haus, als sie sich nach dem eben geführten Gespräch unfähig fühlten, eine rechte Freude bei des Vaters Ankunft zu zeigen. Und so fand sich denn nur Joost ein und nahm die Leinen aus

Monatshefte, N. 296. Mai 1881 . Vierte Fo

Ellern klipp.

des Haidereiters Hand, während Griffel, die gerade Zucker und Zimmet über die Kuchen streute, von ihrem Backofen her aufsah und grüßte. Freilich nur mit einem flüchtigen und vertraulichen Kopfnicken, wie Dienstleute zu thun Pflegen, die sich daran gewöhnt haben, auch ihren Gruß innerhalb gewisser Grenzen zu halten.

Und nun kam der Abend, und um die siebente Stunde saß Alles um den runden Tisch. Auf einem der Ständer aber standen die Kuchen und der Ciderwein, auf den hin die Griffel eine Reputation hatte, und Alles war festlich und gemäch­lich, oder doch so gemächlich, wie's in des Haidereiters Haus und unter der Controle feiner buschigen Augenbrauen überhaupt sein konnte. Der Ofen, in dem ein Reisigfeuer brannte, gab eine gelinde Wärme, während doch gleichzeitig ein Luft­zug durch die Fenster kam und die Sterne mitsammt dem erleuchteten Schloß von drüben her hereinsahen. Alles war Frie­den; die Lichter im Zimmer flackerten nur leise hin und her, und kleine Rauchsäulen stiegen auf und schlängelten sich an der Decke hin.

Der Haidereiter war ersichtlich in bester Laune von Jlseburg zurückgekehrt und plauderte mit vielem Behagen von dem kleinen buckeligen Gerichtsschreiber, dessen Buckel nur noch von seiner Wichtigkeit übertroffen werde. Dazu brachte er auch eine Neuigkeit mit, und zwar die: daß die Preußen bald wieder einen Krieg haben würden; denn ohne Krieg könnten sie nicht sein. Und zuletzt kam er, wie ge­wöhnlich, auf die gnädige Gräfin, von der ein Gerede gehe, daß sie katholisch werden wolle. Darüber war nun die Griffel natürlich außer sich; aber ehe sie noch ein passend-gemäßigtes Wort der Empörung finden konnte denn der Haidereiter hielt auf Respect gegen die Herrschaft, fuhr dieser in eigenem Un- muth fort:Und wer ist schuld daran?

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