Grosse
ich doch wirklich neugierig, bester Com- merzienrath. Aber ich hoffe, es wird sich Wohl Alles applaniren. Einstweilen alles erdenkliche Schöne an Fräulein Cornelia. Da ist das Zeichen. Jetzt kommt Ihr Zug auch. Ein unerträgliches Gedränge das! Aus Wiedersehen also, Commerzien- rath — auf Wiedersehen!"
Die Glocke tönte. Der Zug donnerte herein, der Menschenstrom ergoß sich durch die offenen Thüren in die weite Vorhalle. Im nächsten Moment hatten sich die Freunde getrennt, und einige Minuten später dampften zwei mächtige Züge in entgegengesetzter Richtung aus dem Bahnhof durch die sonueubeglänzteu Vorstädte in die Felder und Wälder hinaus.
Major Karl von Eschenloh — um ihn unseren Lesern vorzustellen — war ein Mann in den sogenannten besten Jahren, seinerzeit ein flotter, lebenslustiger, eleganter Cavalier, bei dem sich allmälig jene kleinen Gewohnheiten, Liebhabereien und Bequemlichkeiten geltend zu machen begannen, die dem angehenden Vierziger nicht erspart bleiben, auch wenn er sonst das Urbild und „Ideal" eines tüchtigen, ganzen Mannes geblieben.
Er lebte nicht gerade vereinsamt, aber befand sich doch im ersten Stadium jener Weltmüdigkeit, wo die Gesellschaft wenig oder keinen Genuß mehr gewährt. Am meisten bevorzugte er das Haus des Commerzienraths Schätzler, mit dem ihn langjährige Gewohnheit und jene Gleichheit von kleinen Liebhabereien verband, die so leicht den Namen und die Rechte der Freundschaft usurpirt.
Noch bis Ende des letzten Winters hatte der Major jahrelang unzertrennlich mit seiner schönen, allgefeierten Stiefschwester Valesca zusammengelebt, die als Spätling der zweiten vornehmen Ehe des verstorbenen Eschenloh über ein bedeutendes Vermögen gebot und eben deshalb — vielleicht aus Mißtrauen —
Valesca. 403
allen Bewerbungen bisher ausgewichen war.
Sie hing mit einer Art von leidenschaftlicher Liebe an ihrem Stiefbruder, und dies schöne Zusammenleben schien für alle Zeit unabänderlich, bis im vorigen Frühjahr aus Gesundheitsrücksichten eine Reise in den Süden nothwendig wurde — eine Reise, an welcher theilzunehmen der Major nur durch seinen Beruf und die momentan drohenden politischen Aspec- ten verhindert wurde, denn man schlug ihm den erbetenen Urlaub ab.
Während jener Reise nun war die erwähnte plötzliche Entscheidung erfolgt, über welche inzwischen nur briefliche Mittheilungen vorhanden waren.
Erst heute sollte die mündliche Auseinandersetzung zwischen dem Major und seiner Schwester auf ihrem Landhaus erfolgen.
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„Villa Valesca" ist die Bezeichnung des Landsitzes der Comteß Eschenloh am schönen, vielbesungenen Sonnensee, einige Stunden von der Hauptstadt. Weshalb man Valesca mit dem Titel Comteß zu schmücken Pflegte, werden wir später erfahren.
In der villenreichen, langhingestreckten Ortschaft wimmelt es im Sommer von Städtern und Fremden aus allen Theilen Deutschlands, weniger der vortrefflichen Badeanstalten halber als wegen der malerischen Lage, der würzigen Bergluft und der schattigen, prächtigen Waldungen, welche auf weiten Hügeln den romantischen See wie ein grüner Laubkranz umgeben.
Comteß Valesca bewohnt seit Jahren allsommerlich die reizende, in einer Bucht gelegene Villa, die rückwärts von einem kleinen sauberen Hof und einem großen parkähnlichen Garten mit herrlichen Ulmen und Buchen begrenzt wird, während die Fapade des Gebäudes mit ihren Ter-
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