Heft 
(1881) 298
Seite
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Jllustrirtc Deutsche Monatshefte.

raffen und Veranden sich direct aus dem grünen See erhebt.

Als der Major, der eine Stunde per Bahn gefahren und dann einen Kahn ge­nommen, zum Ufer kam, wunderte er sich, fämmtliche Fenster verhüllt zu sehen; in- deß dies mochte dem schwülen September­tag gelten, der brütend und blendend auf der weiten Wasserfläche lag.

Er umschritt die Villa, um von der Gartenseite einzutreten. Während er hier unter hohen Büschen herankam, bemerkte er unter der vorspringenden Altane der Schmalseite der Villa zwei Männer in erregtem Disput. Der Stimme nach war der eine der uralte Kammerdiener des Hauses: Gabriel Habermann. Der an­dere war ihm unbekannt, eine hochge­wachsene, markige, breite Gestalt mit kurz geschorenem dunklem Vollbart die Ge­stalt eines antiken römischen Consuls oder auch eines evangelischen Apostels, eine imponirende, bedeutende Erscheinung, die einen ganzen Mann verkündete.

Deutlich ließen sich jetzt die Worte des Kammerdieners vernehmen:

Auf Ehrenwort, Herr Professor, ich kann versichern, Comteß ist nicht zu sprechen."

Holla was hat das zu bedeuten?" dachte der Major und trat in den Schatten, der Rückseite der Villa, dort, wo an einer geschmackvollen Voliere ein Springbrunnen Plätscherte.

Sonderbar," erwiderte der ihm un­bekannte Herr,vorher sagten Sie, Com­teß sei ausgegangen, jetzt heißt es, sie sei nicht zu sprechen. Ich muß vermuthen, daß Sie mir nicht die Wahrheit sagen."

Der alte Mann verbeugte sich unter- thänigst und zuckte die Schultern.

Aber, lieber Herr Habermann, nehmen Sie Vernunft an. Ich will und muß meine Braut heute sprechen, nur fünf Minuten, bevor ich einen Entschluß fasse. Gehen Sie hinein."

Habermann ging wirklich, kam aber gleich darauf mit einer anderen Ausrede zurück.

Gut, ich sehe, man ist nicht disponirt. Sagen Sie der Comteß, ich würde meine Tour in das Gebirg und ebenso meinen Brief nach Dorpat aufschieben, bis ich Klarheit habe. Ich würde heute Abend wieder Nachfragen."

Dann wandte sich der Herr und schritt zum Ausgang. Als er den Major be­merkte, stutzte er sichtlich. Beide Männer maßen sich mit festem und forschendem Blick, ohne sich zu begrüßen.

Das war also vermuthlich der Professor, der zukünftige Schwager.

Holla, Habermann!" ries jetzt der Major vortretend.Was ist denn da vorgegangen? Wie es scheint, komme ich mitten in den Sturm hinein. Wissen Sie etwas?"

Der alte Diener verbeugte sich aber­mals mit der Würde eines schweigenden Diplomaten.

Merke schon: Discretion über Discre- tion. Ihr seid wunderbar vornehm ge­worden. Das war doch also der Bräu­tigam, und Valesca schickt ihn fort. Was soll das heißen?"

Wenn wir es wüßten, lieber Herr- Major; Frau Crescenz meint, Comteß hätten Migräne."

Dummes Zeug. Gehen Sie und melden Sie mich an; oder ist auch mir die Thür verschlossen? Doch wozu das Par­lamenten. Vorwärts, auch ohne Mel- düng."

Und ohne Weiteres betrat der Major die Stufen, welche zur Villa führten; im nächsten Moment befand er sich in dem eleganten Empfangssalon. Haber­mann war dennoch vorausgegangen und öffnete jetzt die Thür des dunklen Neben­zimmers.

Alle Vorhänge waren herabgelassen und die Jalousien geschlossen. Es herrschte