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eine angenehme Kühle und Dämmerung in dem Raum, welchen jetzt der Major betrat.
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Valesca lag müde auf ihrer oImi88 lonAus ausgestreckt — eine üppige, titanische Gestalt — in der durchsichtigen Weiße ihrer Haut, in dem goldenen Roth- blond ihres gewellten Haares, wie in ihren großen strahlenden Augen allerdings mehr an den angelsächsischen Typus erinnernd als an südliche Schönheit. Dies war auch genealogisch richtig. Die zweite Gemahlin des Freiherrn von Eschenloh war die reiche Erbtochter eines Viscount Hamilton, welche nach einem bewegten Leben erst aus einer Tour durch die Schweiz den Erwählten ihres Herzens fand. Von ihr stammte das bedeutende Vermögen, und ihres vornehmen Standes halber nannte man ihre einzige Tochter „Comteß".
Valesca's erste knospende Jugend war verflogen, aber sie zählte zu den Schönheiten, die erst im Frühsommer zur vollen Entfaltung kommen. Das britische Blut der Mutter machte sich iu vielfacher Weise bei der Tochter bemerklich, uicht bloß in der langsamen, vornehmen Redeweise, als handhabe auch sie das Deutsche noch wie eine fremde Sprache, mehr noch in ihrer Neigung zu gewissen Excentricitäten und unberechenbaren Launen.
Jetzt erhob sie sich halb und begrüßte ihren Bruder mit herzlichen, innigen Worten.
„Willkommen, liebster Charly — hast du dich endlich meiner erinnert? Wie lange Hab' ich dich erwartet! Aber warum bist du so kühl auf meinen Willkomm? Immer noch die alte Verstimmung, und doch so grundlos; 0 mein Gott, wie viel muß ich dulden!"
„Von Verstimmung keine Rede, liebe Valesca," sagte der Major — „freue
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mich herzlich, dich wiederzusehen; aber — doch lassen wir das. Gestatte, daß ich es mir bequem mache." Dabei zog er sein Etui aus der Tasche und zündete sich eine Cigarre an; auch öffnete er die Vorhänge des Fensters an der Ostseite, so daß der Raum erhellt wurde.
Dann trat er wieder zu seiner Schwester. „Da wären wir also, liebes Kind, und ich könnte auspacken. Komme mit einem ganzen Korb voll Gratulationen, auch vom Commerzienrath, und das will viel sagen. Aber was für Dinge muß ich hier erleben gleich in der ersten Minute! Man läßt sich verleugnen, man stellt den Bräutigam kalt. Sage mir, was soll das alles heißen?"
Valesca war ganz wieder in ihre Indolenz und Apathie zurückgesunken. Jetzt deutete sie auf einen Sessel.
„Darf ich dich bitten, Charly, Platz zu nehmen. Was du da berührst — glaube mir: ich habe schon seit Wochen darüber reden wollen, aber schriftlich ließ sich das nicht machen. Ich mußte warten, bis du selbst kamst."
„Ganz schön," sagte der Major und ließ sich iu einen Armstuhl nieder. „Also vorwärts, liebe Valesca —- aber wenn ich um Eines bitten darf, nur keine lange Einleitung!"
„Nach deinem Wunsch, Charly. Und doch kann ich nicht umhin, auf diesen Frühling zurückzukommen, auf unsere Reise nach Neapel."
„Ja, diese heillose Reise. Ich hätte dich nicht ziehen lassen sollen, ich hätte mitgehen sollen als 89.1 va Anarckig.."
„Rede nicht so, lieber Bruder. Es war doch die glückseligste Zeit meines Lebens. Die Tage in Rom und Sorrent. Das Meer, die Felsen von Capri und die antike Welt. Man wird frei und groß im Denken und Empfinden, man verliert alle kleinen Maßstäbe, alle anerzogene Enge und Beschränktheit. Man athmet