Heft 
(1881) 298
Seite
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406 Jllustrirte Deutsche Monatshefte.

die Luft der Jahrhunderte, man erwacht aus dem Traum zum Wachen, und Alles vorher scheint nur eine lange Nacht."

Schon gut, ich weiß das Alles aus deinen Briefen, aber weiter jetzt!"

Damals in jener großen Zeit haben wir ihn zuerst gesehen"

Ganz recht, im Vatican. Ich bitte dich, verschone mich mit Schilderungen!"

Ich darf nicht, Charly, du würdest mich sonst verkennen. Nicht im Vatican war's, sondern im Museum des Capitols vor der verwundeten Amazone und dem sterbenden Fechter. Wir hatten unseren Cicerone vergessen, und stelle dir vor Cornelia, die damals noch mit uns war du kennst ja ihre originelle Art, sie hielt die Amazone und den sterbenden Fechter für ein Liebespaar, sie sieht ja überall Tragödien und Romantik da wandte sich ein Herr um, den wir nicht beachtet hatten, und o, ich werde sein Lächeln nie vergessen belehrte uns, daß der Fechter ein sterbender Gallier sei und im Zusammenhang stehe mit dem Barbar und seinem Weib in der Billa Ludovisi. Wir erschraken zuerst, als wir Deutsch hörten, denn wir hatten uns gar nicht genirt in unserer Unwissenheit, aber der Herr war so schonungsvoll nachsichtig, so vornehm bescheiden, daß wir ihm seine Zurechtweisung dankten. Nachher führte er uns durch das ganze Museum. Zum ersten Mal trat uns ein überlegener Geist entgegen "

Weiter, bitte ich mehr Tableau, weniger Rahmen!"

Aus dem ersten Begegniß wurden bald mehrere. Wir trafen uns im Vatican, im Coliseo, in der Villa Bor­ghese, in Samt Peter und sonst. Ueber- all war er unser Begleiter und Lehrer und bald unser gütiger Freund. Liebster Charly, jetzt sahen wir erst, wie uner­meßlich weit wir zurück waren in Allem und Allem. Sein vielseitiger Geist schloß

uns die Jahrhunderte auf. Wir lernten mit seinen Augen sehen. In seinen Wor­ten stieg uns das Alterthum heraus mit seinen Bädern, Kaiserpalästen und Riesen­bauten, mit seiner Cäsarengröße und seinem Cäsarenwahnsinn. Es waren unvergeß­liche, erhabene Stunden.

Und dann kam die Reise nach Neapel und die tragikomische Affaire mit dem Italiener, dem angeblichen Marchese, der uns beständig verfolgte und zuletzt sogar vom Erschießen sprach, wenn wir ihn nicht duldeten. Es war unerträglich!"

Wie? auch noch Abenteuer du, die stolze Valesca von Eschenloh da­von wußte ich noch nichts."

Es ließ sich nicht brieflich erzählen. Der junge Mann traf uns zuerst in der Kirche del Carmine, wo wir Konradin's Grabmal betrachteten. Ich weiß nicht, meine rothen Haare machten ihn wie toll. Er faselte von Cimbern und Teutonen und ging uns nicht mehr von der Seite. Er war auch anfangs ganz liebenswürdig und modest, dann aber wurde er immer dreister und rücksichtsloser. Erst ans dem Gipfel des Vesuvs befreite mich Professor Vollmar von ihm. Es war eine häßliche Geschichte und doch zum Lachen. Ich sehe schon, du wirst mich jetzt noch schelten wegen meiner Verwegenheit und Unbesonnenheit. Wir waren also den Vesuv hinauf wir, der Professor, der Marchese und eine Gesellschaft Deutscher aus Rom. Auch der berühmte Palmieri erwies uns die Ehre, uns zu führen. Noch beim Eremiten spottete der Marchese, der selbst die feinsten Lackstiefel trug, über die unförmlichenStivali" des deutschen Gelehrten, aber Vollmar würdigte ihn keiner Antwort.

Es ging Alles vortrefflich, obgleich erst wenige Tage vorher ein Ausbruch des Vesuvs stattgefunden. Ich war immer voran und Allen voraus. O, es war dämonisch schön, auf den gelben,