Heft 
(1881) 298
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Illustrirte Deuts ch e Monatshefte.

und dazwischen sechs oder sieben slaschen- förmige Cisternen. Der Grat hatte eine Länge von 150 m, und endlich oben an­gelangt, konnte ich auch nach Süden gegen das Muttergebirge hin an einer über 100 Fuß hohen glatten steilen Wand hinabschauen. Aehnlich war es nach Westen. Auf dem höchsten Punkte con- statirte ich 350 m oder 1120 Fuß See­höhe. Es war also, um zu recapitnliren, eine lange schmale Akropolis von 150 zu 25 m, in ihrer eigenen schrägen Ober­fläche noch 45 m ansteigend.

Der höchste südliche Felsblock trug anch eine Aushöhlung, aber das war kein Haus, auch keine Warte, denn hier oben war keinerlei Zugang zu bewachen. Aus dem Block mit schräger Oberfläche war ein Prisma herausgemeißelt von 1,55 m Länge, 1,30 m Tiefe und 1,20 m Höhe mit horizontaler Grundfläche, also ein Raum, gerade groß genug, um hier eines Mannes Sessel oder Sitz aufzuschlagen.

Wie hätte ich hier nicht an den Thron des Pelops denken können? Stand ich dochauf der Spitze des Berges ober­halb des Heiligthums der Göttermutter", wie Pausanias sagt, von der mich in Luftlinie kaum 500 in trennten!

Die Sonne war hoch gekommen; trie­fend von Schweiß, setzte ich mich mit meinen zerrissenen Kleidern in diesen höchsten ausgeklüfteten Felsen und sah hinab über die treppenförmig niedersteigen­den Wohnungen. War dies die Burg des Tantalus? Dann ist der See, der unten zu meinen Füßen glitzert, Saloö. Jetzt dämmt nach Norden zu eine Mauer ihn ein; durchbräche man sie, würde er sich zehn Minuten weit bis zur Eisenbahn ansdehnen, denn stetiger Sumpf auf diesem Terrain beweist dessen starke Depression. Hundert Quellen, aus des Berges Fuß hervorströmend, nähren den See. Der Kalkbrenner erzählt, daß er nahe am See Kalköfen ansgegraben und eine Menge Ziegel gefunden habe. Da wäre ja dort

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bi>4ui-, theils im See verloren, theils vom Gerolle des Berges verdeckt. Ist das der Ort, den Strabo, Pausanias, Plinius er­wähnen? Am 29. Juli 1880 hatten Smyrna und Magnesia das heftigste Erd­beben dieses Jahrhunderts. Mein Be­gleiter erzählt, daß damals eine gewaltige

Felsmasse mit daraufstehenden Bäumen, halbwegs Magnesia zn, sich losgelöst und unter schrecklichem Getöse die Wände hin- nntergekollert sei. Auf unserem Wege war ich wiederholt den frischen Spuren hernntergerollter Felsblöcke begegnet. Die Seitenwand eines Hauses, aus der Masse eines großen Felsblockes heraus- gehanen, hatte ich um einige Fuß von der Rückwand abgetrennt gefunden, und die frische Spur zeigte, daß das letzte Erd­beben ihn noch um eine Spanne vorge­schoben hatte. Noch ein paar solcher Stöße, und der Block verschwindet don­nernd im Abgrunde. Nirgend kann ein Erdbeben verderblicher zerstören als an diesen steilen Wänden, und so erklärt sich auch an diesem Punkte der böse Ruf der Gegend.

Ich ließ die Blicke ins Weite schweifen. Welch eine Aussicht, welch ein Herrscher­sitz! Brennend stand die Sonne über der Hermusebene, die ich östlich weit über Sardes, nördlich bis Thyatira hinaus überblickte. Dort mitten in ihr schlug Scipio den Antiochos; der Römer Mit­kämpfer war Attalus, König von Perga­mon. Siegesdenkmale, die Attalus zum Andenken an diesen und andere Siege errichtete, zu suchen, soll ich nächste Woche nach Pergamon gehen. Wird ein gütiges Geschick sie uns finden lassen?

Ich springe ans wie aus einem Traume, ich schaue über die Rücklehne meines Sitz­platzes hinab in die Schluchten und hin­auf an den starren blauen Wänden des Sipylos. Einsam, öde und düster ragt der Fels, aus dem ich stehe, in die Wol­ken, wie das Geschlecht der Tantaliden dasteht in Sage und Geschichte!

Für mich persönlich war ich in dieser Stunde überzeugt, auf der Stelle zu stehen, die die alten Schriftsteller die Burg des Tantalus und den Thron des Pelops nennen. Ob diese beiden Gestal­ten auch nur dem Mythos und nicht der Geschichte angehören, hat damit nichts zn schaffen. Die Wissenschaft, welche nicht nur geschichtlichen Thatsachen, sondern auch den Phantasiegebilden der Sage, mit denen sich das Alterthum trug, ihre Aufmerksamkeit schenkt, wird ja wohl diesen kleinen Beitrag der Kritik wür­digen; G. Weber's (schon erwähnte) sehr verdienstvolle Arbeit fordert obendrein