Heft 
(1881) 298
Seite
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472 Jllustrirte Deutsche Monatshefte.

gezwungen, an den Herrlichkeiten und Festen theilzunehmen. Wir denken hier an das berühmte Bild von P. Veronese (Cagliari),Die Hochzeit zu Cana". Sicher sind die Personen des Bildes durchweg Porträts von Zeitgenossen des Künstlers, sogar im Costüm der Zeit, und man ist versucht, im Bilde eher das Hochzeitsfest eines venetianischen Nobile als das des armen Ehepaares von Cana zu sehen.

In dieser Zeit feierte die Schönheit Triumphe; wie leicht entstand der Wunsch, dieselbe gegen die zerstörende Zeit auf dem Wege der Kunst zu retten. Die prächti­gen Venetianerinnen mit ihrem goldigen Haar, mußten sie nicht in ihrer malerischen Tracht die besten Künstler begeistern? Aber auch die Männerwelt war durch prachtvolle Gestalten vertreten und wohl werth, in ihrer stattlichen Erscheinung vom Künstler festgehalten zu werden.

Um das Porträt, wie es die venetia- nische Schule schuf, in seiner höchsten Vollendung kennen zu lernen, genügt es, einen Tizian zu nennen. Was er über­haupt als Maler in seinem rastlosen, langen Leben (1477 bis 1576) geleistet, ist hier nicht zu erörtern; als Porträt­maler steht er mit den besten aller Schulen in erster Reihe. Aretin sagt von ihm in Bezug auf seine Bildnisse:Er hob den Anspruch auf, den der Tod an die Per­sönlichkeit macht. Dieser nahm das Sterb­liche an ihr, aber die äußere Erscheinung mit dem ganzen Ausdruck inneren Lebens und Strebens ist durch die Meisterhand Tizian's gerettet, dem Vergehen entrissen worden." Auch der Dichter selbst, der diesen Ausspruch gethan, ist von Tizian in einem charaktervollen Bilde verewigt worden (Stich von C. v. Dalen). Man sagte dem Künstler nach um die ideale Wahrheit seiner Werke zu erklären, daß er seinem Modell tief ins Herz, in dessen geheimste Gedanken dringen und dem Seelenleben den entsprechenden Aus­druck geben könne. Seine Kirchenfürsten, wie Papst Paul III. oder Cardinal Jppolito de Medici, sind Muster des Aus­drucks und der künstlerischen Ausführung.

Aeußere Anerkennung fand Tizian, als ihn Karl V. für seinen Dienst zu gewinnen verstand. Wie Alexander d. Gr. nur von Apelles sich abbilden ließ, so erhielt Tizian dasselbe Privilegium vom Kaiser.

Im Jahre 1532 saß der Kaiser, in dessen Reiche die Sonne nicht unterging, zum ersten Male dem Meister, dessen Künstler­sonne in seinem ganzen Leben auch nicht durch ein Wölkchen getrübt wurde. An diese Sitzung dürfte sich die Legende knüpfen, nach welcher der Kaiser einen dem Maler entfallenen Pinsel selbst auf­hob und der erstaunten Umgebung die Erklärung gab: Kaiser gab und giebt es viele, aber in der ganzen Geschichte nur Einen Tizian!

Dieses Verhältniß zum Kaiser war Ursache, daß der Künstler viele Reisen unternehmen mußte, so namentlich nach Spanien, nach Augsburg 1548, wo er viele Bildnisse ansführte, darunter ein Reiterbild des Kaisers auf dem Schlacht­felde von Mühlberg und ein anderes Bildniß, auf welchem derselbe, die Drei­einigkeit Gottes anbetend und uni Barm­herzigkeit anstehend, abgebildet ist. Auf dieses Gemälde, welchesKarl in der Erwartung des letzten Gerichtes" genannt wird (in Madrid), waren des Kaisers letzte Blicke im Sterben gerichtet.

Eines seiner anmuthigsten Frauenbild­nisse bleibt das seiner sehr geliebten Tochter Lavinia. Eine fröhliche vor­nehme Gesellschaft so wird erzählt war zu Gast in Tizian's Garten ver­sammelt; da brachte seine Tochter das Obst zum Desert in der anmuthigen Be­wegung, wie wir sie am Bilde bewundern. Alles war entzückt über die Erscheinung der glückliche Vater verewigte sie für die Nachwelt, damit diese jenes Entzücken ver­stehe und theile. (S. Abbildung im Juni­heft, S. 333.)*

Es giebt von Tizian und verschiedenen anderen Malern Italiens dieser Zeit viele Gemälde, die weibliche Brustbilder dar­stellen und die man gewöhnlich, weil der Busen mehr oder weniger enthüllt ist, Courtisanen nennt. Sind es Jdealköpse oder Porträts? Geschichte und Mode zwingen uns, wirkliche Bildnisse hier an­zunehmen. Geschichtlich beglaubigt ist das Porträt der Eleonora, Tochter der Mark­gräfin Jsabella von Mantua, die sich von Tizian mit offenem Busen (Belvedere in Wien), ja sogar als Venus in ganzer

* Die Abbildung ist gegenseitig zum Original, das sich im Berliner Museum befindet.