Heft 
(1881) 298
Seite
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(alle sind Porträt) versammelt, denen er am Cadaver seine Vorlesung hält Ein Musterbild eines Conversationsstückes.

Gegenüber der Nachtrunde von Rem- brandt hängt gleichfalls ein Bild dieser Gattung, es ist das Schützenmahl, ein Werk des B. van der Helft (geb. 1601). Festmahle bildeten oft das Bindungsglied der Innungen im Leben wie in den Bil­dern. Das Zweckessen war kaum der einzige Zweck ihres Beisammenseins. Das Bild basirt auf einem bestimmten Datum, dem 18. Juni 1648; die Schützen ver­sammeln sich unter ihrem Hauptmann Witse, um den Abschluß des westfälischen Friedens zu feiern. Fünfundzwanzig lebensgroße Männerporträts find hier treu nach dem Leben, in ungezwungenster Gruppirung aufgefaßt; man wäre ver­sucht, ihrem Gespräche zu lauschen, so täuschend hat sie der Meister mitten in der lebhaftesten Unterhaltung auf die Lein­wand gebannt: Vox lüuoibus brissit. (Gest, von I. W. Kaiser.) Nicht minder meisterhaft ist ein anderes Bild desselben Künstlers (ebenda, gest. von Ulmer); vier Bürgermeister berathen sich, wel­chem Schützen der Preis zuerkannt wer­den soll.

Auch in feinen Bildnissen von Männern und Frauen ist van der Helft der hervor­ragende Künstler.

Als Dritten im Bunde dürfen wir Franz Hals (geb. 1584) nicht übergehen.

Im Porträt und im Sittenbilde (Genre) nimmt er unter den besten Künstlern seines Landes eine hervorragende Stellung ein. Auch er hat neben Einzelbildnissen viele Doelenstücke gemalt, die meisten befinden sich in Haarlem. So die Offiziere der Joris-Doelen in Haarlem (s. Abbildung S. 481). So die Offiziere der Georgs­und Adriaens-Doelen beim Festmahl, das Amsterdamer Schützencorps. In Amster­dam ist das Bild, auf welchem er sich neben seiner Frau im Garten abgebildet hat, ein Gegenstück zum Familienbild Rubens'; die behagliche Ruhe der Holländer contrastirt sehr bezeichnend gegen die Vornehmheit der Flämen. Es bleibt unbegreiflich, wie man bei der Vielseitigkeit und dem Reich­thum seiner künstlerischen Thätigkeit so arg über seine lockere Lebensweise los­ziehen konnte, als ob er mehr in der Kneipe wie bei der Staffeln zu finden

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gewesen wäre. In der Kunst des Hals ist Alles Porträt, er betrachtet die ein­zelne Persönlichkeit wie die Gesellschaft mit demselben Auge; man kann mit vollem Rechte seine Genrebilder Porträts des Volkstypus und seiner Leidenschaften nennen. Was ist die Hidde Bobbe z. B.? (in Berlin). Es ist das Porträt eitles alten Weibes, das im Rufe der Hexerei in Haarlem stand und das sich über die abergläubige Welt lustig macht: ein Typus zugleich für eine ganze, dem Genrebild gehörige Menschenrasse, wie man deren Exemplare noch zuweilen auf dem Lande trifft.

Nach der Anstrengung aller Kräfte tritt naturgemäß Abspannung ein; der Einzelne wie die Gemeinschaft kann sich nicht lange auf der Höhe erhalten. Was die späte­ren holländischen Künstler, wie Troost, Quinckhard u. A. m., auch Gutes im Porträt geleistet haben, mit ihren Vor­bildern können sie sich nicht messen. Seien wir mit dem zufrieden, was die große Zeit, die Zeit der Kunstheroen, geschaf­fen hat.

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In Frankreich wurde in älterer Zeit dem Porträt nur wenig Beachtung ent­gegengebracht. Im sechzehnten Jahrhun­dert erscheinen Bildnisse historischer Per­sonen- darunter natürlich viele als Phantasiebilder nur als Jllustrations- beigaben in historischen Werken. Nabel, Thomas de Leu, Leonard Gaultier sind die Ersten, die Bildnisse nach der Natur ausgenommen und gestochen haben (um 1600). Sie machen den Eindruck einer großen Treue, auch das Beiwerk ist sicht­lich genau der Wirklichkeit entlehnt, aber der Geist, die höhere Weihe des Kunst­werks fehlen. Da die Künstler oft von Mitgliedern des Adels, des Magistrats, ja selbst des Hofes mit Aufträgen be­dacht waren, so mußten sie natürlich auch die Entfaltung des äußeren Glanzes, der pomphaften Pracht zur Darstellung brin­gen. Auf den geistigen Inhalt dürfen wir die Bildnisse dieser Zeit durchaus nicht prüfen. Freilich giebt es auch Aus­nahmen, wenn die Persönlichkeit sich so wuchtig und ausgesprochen dem Künstler­auge darstellt, daß er fast unbewußt ihren