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Jllnstrirte Deutsche Monatshefte.
sichere Lebensstellung. Schlechter erging es einem anderen Künstler; Bervic stach sein berühmtes Blatt: Ludwig XVI. im Krönungsornat; die Platte wurde 1790 vollendet. Wer sollte es aber jetzt, wo die Wogen der Revolution hoch gingen, wagen, mit dem Bildniß eines Königs hervorzutreten? Die Platte wurde mit Lebensgefahr verborgen gehalten, dann zerschnitten. Jetzt gab es wenig zu por- trätiren. Als das Kaiserreich kam, glänzte mit der „ONoii-s" auch den Porträtkünstlern ein neuer Stern. Mit dem Kaiserreich sind Jsabey, Gerard, Gros und insbesondere Hör. Vernet innig verwachsen. Die Herrlichkeit des Thrones und seiner Umgebung strahlte von Neuem — aber die Kunst war eine andere geworden, David's akademische Regeln haben ihren idealen Flug gehemmt.
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Es erübrigt uns schließlich, auch der „Nebelinsel" einen kurzen Besuch abzustatten. Es ist ausfallend, daß in England, wo doch die normannische Architektur so hervorragende Bauwerke aufgeführt hat, die darstellende Kunst verhältnißmäßig so wenig autochthone Wurzeln besitzt. Daß übrigens dem Sohn Albions der Sinn für Kunst nicht mangelt, dürfte schon daraus resultiren, daß es nirgends in der Welt so viele Kunstsammler giebt wie eben in England. Was auf dem Continent nicht niet- und nagelfest ist, wird hinübergeschleppt. In hundert Jahren wird man die kontinentale Kunst nur noch in England studiren können — wenn die Sammlungen der Herrensitze nicht so verschlossen bleiben, wie sie eben sind. Es ist darum auch kaum möglich, von einer englischen Schule zu sprechen. Die Darstellungen der Bibel und des christlichen Dogmas sind fast Caricaturen, ja selbst der einzige originelle englische Künstler, W. Hogarth, steht auf diesem Boden, wie überhaupt der Brite ein geborener Satiriker und Caricaturist ist.
Das Porträt mußte dem englischen Nationalcharakter immer sehr sympathisch erscheinen. Aber auch dieses ist ans dem Auslande verpflanzt worden. Wie bereits erwähnt, war Holbein lange Zeit in Eng
land thätig; dann kamen viele italienische und niederländische Künstler scharenweise nach London, wo sie Arbeit und Gold fanden. Auch van Dyck haben wir bereits in London gesehen. Nun sind zwei Künstler zu nennen, welche England die seinen nennt, Peter Lely und Gottfried Kneller, aber beide sind von Geburt Deutsche.
P. Faes, Lely genannt, ist zu Soest in Westfalen geboren; bei ihm läßt sich der Einfluß van Dyck's nicht verleugnen, den er indessen nicht erreicht. Seine Frauenbildnisse sind, mögen die Originale schön oder häßlich gewesen sein, stets in reizende Nymphen verwandelt. Männliche Bildnisse gerathen ihm selten, und es war für ihn keine leichte Aufgabe, den Lord-Protector zu malen, als ihm dieser vor der Sitzung zurief: „Malt mich treu, ich will nicht geschmeichelt sein wie die englischen Damen; malt mich, wie ich bin, mit allen Runzeln und Narben, sonst bekommt Ihr keinen Penny."
Gottfried Kneller ist von demselben Holze geschnitten, auch bei ihm erscheinen die Damenbildnisse immer schön, aber ohne besonderen Charakter. Wie Goethe sagte, daß es nichts Unerträglicheres gebe als eine lange Reihe schöner Tage, so ist es ebenso langweilig, ganze Mappen dieser englischen Ladys durchzusehen, wie sie Smith, White, Simon, Faber und Andere in Schwarzkunst nachgebildet haben.
Josuah Reynolds, obwohl dem allgemeinen Zuge, der in England einmal seine Herrschaft begründet hatte, folgend, hat es doch verstanden, seinen Werken eine Originalität, eine wohlempfundene Charakterisirnng einzuhauchen. Der englische Gesichtstypus ist bei allen seinen Bildnissen unverkennbar. Daß ihm auch männliche Köpfe sehr wohl gelingen, zeigt das Bildniß des Lord Elliot (gest. von Earlom, ein Hauptblatt). Er verstand es auch, seinen Porträts die entsprechende Umgebung anzupassen, weshalb sie fast immer den Charakter von Genrebildern haben. So ist das Bildniß des Physiologen Hunter trefflich aufgefaßt; der Mann studirt wirklich, und der Gegenstand seines Studiums wird einfach durch ein in seiner Studirstube angebrachtes Menschenskelet bezeichnet. Dagegen besitzt das Porträt der drei Damen (Townshend,