Heft 
(1881) 298
Seite
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_ Literarisch

Eine gute monographische Würdigung ent­hält ein Buch: Aliirecht v. Halter und seine Bedeutung für die deutsche Literatur. Von Adolf Frey. (Leipzig, Verlag von H. Hässel.) Den Mittelpunkt bildet die vortreffliche Analyse der dichterischen Thätigkeit Haller's. Welche Anlage den großen Gelehrten zum Dichter be­fähigte, spricht er selbst in folgenden Worten aus:Was bleibt mir dagegen? Nichts als die Empfindlichkeit! Dieses starke Gefühl, das eine Folge von Temperament ist, nahm die Ein­drücke der Liebe, der Bewunderung und am meisten noch der Erkenntlichkeit mit vieler Lebhaftigkeit an, dabei mir die Ausdrücke der Empfindungen sehr theuer zu stehen kommen. Noch jetzt brechen mir Thränen beim Lesen einer großmüthigen That aus; und was habe ich nicht gelitten, da das Schicksal in den aller- hülflosesten Umständen eine junge und geliebte Gemahlin mir von der Seite riß. Diese Em­pfindlichkeit, wie man sie zu nennen anfängt, gab freilich meinen Gedichten einen eigenen schwermüthigcn Ton und einen Ernst, der sich von Hagcdorn's Munterkeit unendlich unter- schcidete." Ausführlich wird auch die Stellung Haller's zu den ihn anregenden und bestim­menden Dichtern entwickelt und ansprechend gewürdigt.

Ansichten über Aesthetik und Literatur von Wilhelm v. Humboldt. Seine Briefe au Gottfried Körner. Von F. Jonas. (Berlin, Verlag von L. Schleiermachcr.) Diese Briefe gewähren einen tiefen Einblick in die Ent­stehung der wissenschaftlichen Weltanschauung von Humboldt, zugleich aber treten hier wieder schöne Beiträge zur Keuntniß Schiller's auf. So bemerkt Humboldt über ihn sehr tief: Das Letzte, worauf sich Alles zurückführen und woraus sich Alles erklären läßt, könnte man vielleicht die Alleinherrschaft des Geistes, der

e Notizen.

inneren Kraft nennen, die ihn sowohl gegen die äußeren Einwirkungen des Zeitalters, die Umstände u. s. w. als gegen die inneren der Sinnlichkeit, der bloßen Empfänglichkeit, des bloßen pathologischen Charakters frei bewahrt und selbst in der Art, wie die Natur auf ihn einwirkt, ein selbstbestimmtes eigenes Vcrhältniß festsetzt." Endlich findet man in dieser Schrift gewichtige Beiträge zu der Keuntniß jener ästhetischen Debatten, welche zwischen Körner, Humboldt, Schiller und Goethe geführt wurden.

Zierden der englischen Literatur. Erstes Bänd­chen enthält:Oliver Goldsmith von William Black. Frei bearbeitet und mit Anmerkungen versehen von Leopold Kätscher"; zweites Bänd­chen:Daniel Defoe, der Verfasser von Robinson Crusoe, von William Minto"; und endlich der dritte Band:William M. Thackeray von Anthony Trollope." (Leipzig, Ed. Wartig's Verlag.) Das Leben von Thackeray ist bis­her wenig bekannt, und so werden die Mit­theilungen dieser Schrift über einen der größ­ten Menschenkenner aller Zeiten mit sehr leb­haftem Interesse entgegengenommen werden. Die beiden anderen Schriftsteller bieten in Bezug auf ihren Charakter ein Interesse sehr entgegengesetzter Natur. Es giebt keinen Fall von sorgloserer Gutmüthigkeit und Kindlichkeit des Charakters, als ihn das Leben des Ver­fassers desLandpredigcrs" darbictet: die rüh­rende Kindlichkeit, durch welche der Held jenes Romanes so anziehend, ist auch der Grundzug seines Dichters. Und es giebt kaum einen Fall von solcher Verschlagenheit, so com- plicirter List und Verlogenheit bei einem her­vorragenden Schriftsteller, als ihn das Leben von Defoe darbietct, welches schließlich mit jener immer noch nicht aufgeklärten Flucht aus allen seinen Verhältnissen in tiefe Verborgen­heit endigt, in der er gestorben ist.

Literarische Nötigen.

Nachklänge. Ausgcwählte Schriften von Karl v. Gcbler. (Breslau, S. Schottlaender.) Zwei Bändchen. Es ist der literarische Nachlaß eines in der Blüthe seiner Jahre gestorbenen vielversprechenden, ja bereits durch ein anerkannt gediegenes Werk:Galileo Galilei und die rö­mische Curie", als tüchtiger Forscher bewährten jungen Gelehrten, den hier der tiefbetrübte Vater als ein geistiges Denkmal des geliebten Sohnes veröffentlicht. Karl v. Gebler, 1850 zu Wien geboren, Sohn eines k. k. Feldmarschalllieutenants, anfänglich selbst Militär, dann infolge eines Lungenleidens, das er sich durch einen nächt­lichen Ritt während des Winters im Dienst zugezogen, genöthigt, diesen Beruf aufzugeben

und, von den zärtlichen Eltern begleitet, in einem wärmeren Klima dauernd sich aujzuhal- ten, warf sich auf Geschichtsstudien, gerieth da­bei spcciell auf Forschungen über Galilei's Leben und Proceß, widmete sich diesen mit größtem Erfolg, aber auch mit einem so glühenden Eifer, daß er dadurch sein Brustleiden aufs äußerste verschlimmerte und, kaum mehr als achtund­zwanzig Jahre alt, zum nicht geringen Theil ein Opfer seiner wissenschaftlichen Begeisterung, starb. Von seiner Specialität, den Galileistudien, sind auch in diese Sammlung einige werthvolle Abfälle übergegangen, ein Aufsatz:Ist Galilei gefoltert worden?" (Gebler verneint dies) und ein zweiter:Auf den Spuren Galilei's", der