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Storm: Der Herr Etatsrath.
sinne ich mich, daß ich derzeit diesen Bries nicht ohne ein Gefühl von Unbehaglichkeit bei Seite legte. Vorübergehend kam mir auch wohl die Frage, weshalb denn der Herr Etatsrath nicht sein Factotum Käfer statt des ihm ferner stehenden Sohnes bei diesen Badefahrten mit sich führe; aber freilich, der Schlingel mochte es schon verstanden haben, sich von solchen Diensten frei zu machen.
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Ein Jahr war dahingegangen, die Ferienzeit war fast verstrichen, und die anderen Studenten waren längst schon heimgereist; durch mancherlei Umstände aber war es gekommen, daß ich nur die letzten Tage vor Beginn des neuen Sommersemesters im elterlichen Hause verleben konnte. Als ich eintraf, sah ich wohl, daß Archimedes schon unter dem grauen Gewinnst der Abschiedsstimmung einherwandelte. „Asche, Asche, lieber Freund!" rief er sogleich nach der ersten Freude des Wiedersehens. „Um eiu paar Tage seid ihr Alle wieder fort; und schau nur her!" — und dabei hob er das spärliche Haar von seinen Schläfen — „da kommen schon die silbernen! Wenn ihr wiederkehrt, ihr werdet einen alten Mann dann finden!"
Und freilich, ein paar weiße Härchen zeigten sich, und der kurze Rest der Ferien ging rasch genug zu Ende. Es wurde indessen anders, als irgend Einer es erwarten konnte.
Ich weiß nicht sicher, ob Archimedes immer einen schwarzen Frack und einen glatt gebürsteten Cylinder trug; ich glaube es fast; unvergeßlich ist mir, wie ich ihn so am letzten Tage vor der Abreise zu mir in die Stube treten sah, während ich am Fußboden knieend meinen Koffer packte.
Archimedes sagte nichts, er ging nur, sein Stückchen schwingend, mit sehr elasti
schen Schritten auf und ab; dann räusperte er sich ein paar Mal, machte seine exactesten Kopsbewegnngen, aber sagte wieder nichts.
„Nun?" ries ich.
„Nun?" rief Archimedes.
Ich faßte ihn jetzt recht fest ins Auge; aber in meinem Leben habe ich nicht so die Freude ans einem Menschenantlitz ausgeprägt gesehen.
„Archimedes," rief ich, „was ist geschehen?"
Er räusperte sich noch einmal; er schien zu geizen mit der gleichwohl stumm von seinen Lippen redenden Glückesbotschaft. „Lieber Freund," sagte er endlich mit erkünstelter Trockenheit und tickte mit seinem Stückchen mich leise aus der Schulter; „ich möchte nur bescheiden bei dir anfragen, ob morgen noch ein Plätzchen auf deines Vaters Wagen offen ist?"
Ich erhob mich von meinem Koffer und betrachtete meinen kleinen Freund, der mit seinem Stückchen wippte, als wolle er ein muthiges Pferd besteigen. „Wart' nur," sagte ich, „wie Viele sind wir denn? Pater Krümp, der Ranzauer, Jochen Fürchterlich — — freilich, es ist just ein Platz noch offen! Willst du uns begleiten, oder... am Ende gar? Hat der Alte herausgerückt?"
„Halt!" rief Archimedes. „Bester Freund, du sollst noch Rathsherr werden!" Und damit zog er seine bekannte grünseidene Börse aus der Tasche, deren außerordentlicher Umfang mir heute zum ersten Male recht erkennbar wurde, und setzte daraus einen Stapel blanker Speciesthaler nach dem anderen aus den Tisch. „Schau her!" ries er; „hier Collegiengelder, für die du kein Verständ- niß hast; dann in schwindender Proportion, hier für eine Kneipe in der Wolfsschlucht, hier für den etwas mageren Kosttisch, an dem die Theologen futtern!" Er warf mit kurzem Lachen seinen Kops