540 Jllustrirtc Deutsche Monatshefte.
gerischen Aufblick seiner runden Aeuglein. Das freilich war die Hauptsache, denn seine Mittheilungen beschränkten sich auf die einfachen Vorkommnisse seines Lebens. Einmal aber, im Hochsommer, war eine neue Art der Unterhaltung für ihn aufgekommen. Der Herr Etatsrath hatte gegen irgendwelchen Ungehorsam seines Leibes den Gebrauch des „Erdbades", wie er diese selbst ersonnene Cur nannte, für nothwendig befunden; ob von jener nur allzu gründlichen Heilkraft unserer guten Mutter Erde ausgehend, ob in anderer Anleitung, mochte er selbst am besten wissen. Um aber zugleich die Gunst der Seeluft zu genießen, ließ er sich — und es geschah dies einen um den anderen Tag — eine Stunde weit an den Strand hin- ansfahren, und da er hierbei außer dem Kutscher noch einer weiteren Hülfe bedurfte, so mußte Archimedes stets bei diesem aufsitzen. Unweit eines dort belegenen Dorfkruges, an einer Stelle, wo neben zwei im Sande steckenden Spaten bereits ein entsprechend tiefes Loch gegraben war, wurde Halt gemacht und der Herr Etatsrath aus dem verdeckten Wagen unter das Angesicht des Himmels herausgeschafft. Glücklicher Weise aber verschwand er gleich darauf unter dem eifrigen Schaufeln des Kutschers und eines bereitstehenden Arbeiters in den Schovß der Erde, so daß nach vollbrachter Arbeit nur noch der braun- rothe Kopf über der weiten Strandfläche hervorsah.
Die Wellen rauschten, die Möven schrieen, der Herr Etatsrath badete.
Dann folgte der zweite Theil der Cur. Das mächtige Haupt drehte sich mühsam nach der Gegend des Dorfkruges: „Sohn Archimedes, eile jetzo, deinen Vater zu erquicken!"
Auf diese pathetisch vorgebrachteu Worte schritt Archimedes nach dem Kruge, wo unter den Flaschen auf denr Schenkregal eine mit der Aufschrift „Pomeran
zen" prangte. Nachdem er, wie nicht unbillig, sich zuvörderst selbst erquickt hatte, kehrte er eilig mit mehreren Gläsern dieses Trankes an den Strand zurück und credenzte sie dort in gewohnter Zierlichkeit dem über unkindliche Säumniß scheltenden Haupte seines Vaters.
Damit war das Bad beendet; nur daß sich Alle dann noch nach dem Wirthshause begaben, wo der Herr Etatsrath sich eine letzte Stärkung nicht entgehen ließ; für Archimedes war von seinem Vater als das ihm angemessenste Getränk ein für alle Mal ein Glas mit Eierbier bestellt, welches er denn auch mit vielsagendem Lächeln zu sich nahm. Bei einer der letzten Fahrten aber geschah etwas Unerwartetes. „Sohn Archimedes," begann der Herr Etatsrath feierlich, als er nach genossenem Erdbade pustend in dein Flickenpolsterstuhle des Wirthes ruhte, „heute, als an deinem siebenundzwanzigsten Geburtstage, darfst auch du wohl einmal von diesem Tranke kosten, welcher den Jünglingen Verderben, den Männern aber Labsal ist!"
Herablassend winkte seine schwere Hand dem Wirthe; dieser aber, während er den braunen Saft ins Glas goß, warf einen verständnißvollen Blick erst auf Herrn Archimedes, sodann auf eine hübsche Reihe von Kreidestrichen, welche an der Stubenthür verzeichnet standen.
Der Zusammenhang dieser Geberden wurde völlig klar, als später, nachdem die Zeche des Etatsraths in hergebrachter Weise durch den Kutscher berichtigt worden, auch Archimedes seine damals gerade wohlgefüllte Börse um ein Entsprechendes erleichterte und hieraus jene Striche sämmtlich von der Thür verschwanden.
Archimedes hatte diese Vorgänge in jenem harmlos heiteren Ton erzählt, der im persönlichen Verkehr mich immer freundlich anzusprechen pflegte; gleichwohl ent-