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Jllustrirtc Deutsche Monatshefte.
das Kind mich fortwährend am Rock gezupft; nun der Bursche fort war, bat sie mich unter Thränen, sie doch zu Haus zu lassen. Aber sie soll nicht; sie soll auch einmal, wie Andere, eine Freude haben; und sie hat mir's denn endlich auch versprochen."
Archimedes steckte beide Hände in die Taschen und blickte eine Weile schweigend gegen die Saaldecke. „Das arme Ding," sagte er; „sie hatte so ein Paar große erschrockene Kinderaugen! Wenn der Halunke es sie später nur nicht entgelten läßt! Nun, am Ende, wir sind denn doch nicht aus der Welt!"
Und allmälig beruhigten sich seine Gesichtszüge, und sein gutes Lächeln trat wieder um seinen wohlgeformteu Mund. „Aber noch Eines, lieber Freund," begann er aufs Neue; „ich weiß, du bist auch so etwas für die Blumensträuße, und du meinst es stets aufs trefflichste; aber — sende ihr keinen! Nicht um meiner Grille halben, es würde sie ja wohl erfreuen; es ist nur — in unserem Hause paßt das mit den Blumensträußen nicht. Aber komm und hilf mir; die kleine Phia soll denn doch nicht ohne Blumen auf den Ball!"
Und dann gingen wir mit einander fort und kauften die schönste dnnkelrothe Rose für das schwarze Haar des blassen Mädchens.
Meine Schwester war von einem leichten Unwohlsein befallen; so kam es, daß ich Abends allein und erst kurz vor Beginn des Tanzes in das Vorzimmer des Ballsaales trat.
Archimedes kam mir schon entgegen. „Ah!" rief er, „vortrefflich, daß du da bist! Nun wollen wir auch sofort beginnen!"
Aber ich hielt ihn noch zurück. „Einen Augenblick!" sagte ich; „ich muß mir erst
die Handschuh' knöpfen." In Wahrheit aber wollte ich ihn selber nur betrachten; dieser kunstvoll frisirte Haarpull, der kohlschwarz gewichste Schnurrbart, dazu das fröhliche und doch gemessene Werfen des Kopfes, das elegante Schwenken des kleinen Chapeau-claque — in Wahrheit, er imponirte mir noch immer.
„Deine Schwester ist doch drinnen?" srug ich dann, nach der offenen Thür des Saales zeigend, indem ich mich zugleich für vollkommen tanzfähig erklärte.
Er drückte mir die Hand. „Alles in Ordnung, lieber Freund!"
Als dann gleich darauf die Musik einsetzte, schritt Archimedes erhobenen Hauptes in den Saal, und ich folgte ihm, um meiner Dame zur Polonaise die Hand zu reichen. Aber sie war nicht unter ihren Altersgenossinnen, die am anderen Ende des Saales sich wie zu einem Blumenbeet znsammengcschart hatten; ich fand sie gleich am Eingang bei einem mir unbekannten, unschönen und plump gekleideten Mädchen sitzend. Sophie Sternow trug ein weißes Kleid mit silberblauem Gürtelbande; das glänzende, an den Schläfen schlicht herabgestrichene Haar war im Nacken zu einem schweren Knoten aufgeschürzt; aber weder die Rose, welche ihr Bruder unter meinem Beirath Vormittags für sie gekauft hatte, noch sonst ein Schmuck, wie ihn die Mädchen lieben, war daran zu sehen.
Ein leichtes Roth flog über ihr Antlitz, als ich aus sie zutrat. „Freund Archimedes," sagte ich, „wird mir hoffentlich den Tanz gesichert haben; ich möchte nicht zu spät gekommen sein."
Ein flüchtiger Blick ans ihren dunklen Augen streifte mich. „Ich danke Ihnen," sagte sie fast demüthig, indem sie, mich kaum berührend, ihre Hand auf den ihr dargereichten Arm legte, „aber auch ohne dies wären Sie nicht zu spät gekommen."
Ich hatte sie lange nicht gesehen; aber