Heft 
(1881) 299
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Jllustrirte Deutsche Monatshefte.

die mich zu sprechen wünschten: man habe zwei Fremde ermordet.

Ich stand sogleich aus und begab mich zu den Offizieren, die das, was ich er­fahren hatte, einfach mit dem Zusatze be­stätigten, das Verbrechen fei zwischen Kamakura und dem Daibuts verübt worden. Die Namen der Ermordeten konnten sie mir nicht angeben. Die Nach­richt von dem Vorfall war vor einer halben Stunde erst nach Jokohama ge­langt, und der Gouverneur hatte sich zur Pflicht gemacht, die Kunde sofort zu ver­breiten. Ich zog mich darauf an und ging nach dem Custom - Honse. Dort war Alles hell erleuchtet, und ich wurde ohne Verzug in das kleine Audienzzimmer geführt, in dem ich den Colonel Brown, Commandanten des zwanzigsten englischen Infanterieregiments, das zur Zeit in Yokohama stationirt war, und Herrn Lachlan Fletcher, einen der Secretäre der englischen Legation, antraf.

Aber der Gouverneur konnte mir auch nichts Beruhigendes sagen. Ich erfuhr von ihm nur, daß die Leichen der Er­mordeten noch auf der Stelle lägen, wo man sie aufgefunden habe: auf hal­bem Wege zwischen Kamakura und dem Daibuts.

Ich war in großer Sorge um Wirg- man und de B. und beschloß, nach Kama­kura zu reiten, um mir über ihr Schick­sal Gewißheit zu verschaffen. Ich eilte nach Hause, wo ich meinen Pony gesattelt und meinen Betto, der in vielen Wett­rennen Preise als Schnell- und Dauer­läufer davongetragen hatte, für die an­strengende Excursion ausgerüstet fand. Obfchon es empfindlich kalt war, so hatte er sich doch aller Kleidungsstücke entledigt und diese hinter dem Sattel meines Pferdes befestigt. -Er trug nur um Hüf­ten und Lenden eine schmale Schärpe, in der ein kurzes, dolchartiges Schwert steckte. In der Hand hielt er eine La­terne.

Vor der Thür meines Hauses wurde ich, als ich schon im Sattel saß, von meinem Nachbar, dem bereits genannten Herrn v. Brandt, angehalten. Er theilte meine Unruhe über das Schicksal Wirg- maills und de B.'s und bat mich, zehn Minuten auf ihn zu warten, da er mich nach Kamakura zu begleiten wünsche.

Ich hatte bis jetzt keine Zeit verloren; aber die Meldung der japanischen Be­amten, mein Besuch beim Gouverneur und die Vorbereitungen zur Abreise hatten doch geraume Zeit in Anspruch genommen, und als Brandt unmittelbar hinter Yoko­hama, wo wir eine Brücke im Schritt zu passiren hatten, nach der Uhr sah, war es halb vier Uhr Morgens. Gegen fünf Uhr passirten wir Kanasawa, wo noch Alles in tiefem Schlafe lag, und mit dem ersten Morgengrauen langten wir in Kamakura an. Bor dem großen Theehause daselbst faßen mehrere japanische Offiziere, die auf unsere Fragen antwor­teten, daß die Leichen am Ende der großen Tempelallee lägen, dort, wo der Weg nach dem Daibuts plötzlich rechts abbiegt. Wir fanden sie dort neben einander gelegt und in üblicher Weise mit einer alten Matte bedeckt. Als ich dieselbe zurückzog, erblickten wir zwei verstümmelte mensch­liche Körper. Sie lagen ans dem Rücken, die Arme und Beine weit ausgespreizt. Wir erkannten in den Ermordeten zwei englische Offiziere, den Major Baldwin und den Lieutenant Bird, die erst vor Kurzem in Jokohama angekommen waren und die ich wenige Tage vorher beim eng­lischen Minister Sir Rutherford Alcock kennen gelernt hatte.

Die Beerdigung der beiden Unglück­lichen fand zwei Tage später in Jokohama statt. Die fremde Gemeinde, das zwan­zigste englische Regiment und die höheren japanischen Beamten von Jokohama be­gleiteten die Leichen nach dem Friedhose. Sir Rutherford Alcock gelobte angesichts der offenen Gruft, Alles zu thun, was in seinen Kräften stehe, uni den schänd­lichen Mord zu rächen.

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Ungefähr vier Wochen nach dem Be- gräbniß von Baldwin und Bird ver­breitete sich in Jokohama die Nachricht, daß einer der Mörder der englischen Offi­ziere verhaftet worden sei. Dies Ge­rücht wurde bald daraus durch officielle Bekanntmachungen des englischen Consnls Winchester bestätigt. Der Name des Ge­fangenen, Schimidso Sedschi, wurde darin genannt und die baldige Veröffentlichung