Heft 
(1881) 299
Seite
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Illustrirte Deutsche Monatshefte.

inzwischen von einem Anderen vorgelegten Beweise zusteht, keinem Zweifel und muß darum desto schwerer auf der Wagschale der exacten Forschung ins Gewicht fallen.

Da der Versuch einer gedrängten Aus­kunft über Hahn's Entdeckung für erledigt gelten darf, so möge nunmehr auch ein Blick auf die höchst intensive Thätigkeit der Ethnologie in der Richtung auf ihre Endziele gestattet sein.

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Die Sprachwissenschaft gräbt den ersten Wurzellauten nach, der Paläontologe durchwühlt Höhlen, Gräber und Erdschich­ten nach Ueberresten von Menschen und Thieren, der Historiker datirt von der ersten Arbeitsteilung den Beginn der Weltgeschichte, der Ethnologe dringt ans den Spuren der Daseinsweise heutiger Naturvölker vergleichend rückwärts bis zu dem ersten Stammeln der Sagenweisheit kurz, der Mensch findet im Drang zu ergründen, was die Natur ist und was er selbst von Natur ist, in allen Geschehnissen der menschlichen Entwickelung bis in ihre prähistorischen Anfänge hinein und darüber hinaus, sich selbst zusammen und nähert sich Schritt vor Schritt, ohne daß er es weiß, von sich selbst aus, also ab intol-ioi-i, dem verschleierten Anfang der Dinge.

Der überzeugendste und frischeste Beleg für Vorgänge letzterwähnter Art wird Prof. Adolf Bastian verdankt. Der be­rühmte Weltreisende ist noch nicht lange von seiner letzten mehrjährigen Wande­rung nach Südasien, dem indischen Archi­pel, Australien, Polynesien, den Vereinig­ten Staaten, Aukatan und Westindien nach Berlin zurückgekehrt. Einen, viel­leicht den interessantesten Theil der heim­gebrachten Ausbeute hat er sofort in dem Werke:Die heilige Sage der Polynesier. Kosmogonie und Theogonie" niedergelegt.

Der Vorzug, daß der Verfasser auf so vielen und langwierigen Reisen mehr Länder und Menschenracen kennen gelernt hat als jemals irgend ein Sterblicher*

* Schon vor der oben erwähnten letzten Reise hatte Bastian seine ethnologischen Forschungen über die ganze bewohnte Erde ausgedehnt. Einige der überseeischen Gebiete sind sogar zwei- und dreimal von ihm besucht worden. Seine erste Reise, im wahren Sinne des Wortes eine Weltreise, einzig in der Art ihrer Dauer, ihres universaleil Umfangs und ihrer wissenschaftlichen Ausbeute, erstreckte sich

und daß er, ausgerüstet mit einem enor­men Schatz von Sprach- und gelehrtem Wissen, eine seltene Virtuosität der per­sönlichen Verständigung selbst mit den rohesten Volksstämmen besitzt, erhöht die wissenschaftliche Bedeutung jedes späteren Reisewerkes und somit auch namentlich die seines neuesten, welches in einem auf­fallend engen Zusammenhang mit dem Hanptgegenstand der vorliegenden Be­sprechung befunden werden wird.

Jeder, der im Dienste der Wissenschaft eine Reise unternimmt, geht mehr oder weniger auf Entdeckungen aus. Neue Länder hat Bastian zwar nicht entdeckt, dagegen ist es ihm nicht nur in alten und ältesten Culturländern, sondern auch in der Heimath von Naturvölkern gelungen, abgesehen von anderen bis dahin verbor­genen Schätzen anthropologischen, prä­historischen und ethnologischen Inhalts, auch in Betreff des tieferen Wesens der religiösen und kosmogonischen Darstellun­gen höchst merkwürdige Entdeckungen zu machen. In der Absicht, diesen noch weiter aus den Grund zu gehen, hat er seine Reise auch über Polynesien ausge­dehnt. Nach seinen Aufzeichnungen herrscht aus diesem ungeheuren Gebiete insularer Zersplitterung nächst oder neben dem buddhistischen der ausgedehnteste Gedan­kenkreis von überraschender Einheit. Hier wie überall wiederholt es sich, daß die Berichte über die Mythologien der Natur­völker Zerrbilder ohne Sinn bieten, so lange nicht der Hintergrund bekannt ist, auf dessen Beschaffenheit uralte geheiligte Ueberliefernngen, wie sie beispielsweise die Eddas, die Vedas, die orphischen und

1851 bis 1859 von Bremen auf Australien, Neu­seeland, Südamerika, Westindien. Nordamerika, China, Indien, Borderasien, Aegypten, Südafrika, das süd­liche und nordöstliche Europa und von da zurück nach Bremen. Die zweite Reise dauerte von 1861 bis 1865. Nach längerem Verweilen in den indo-chinesischen Ländern besuchte er Java, Manila, Japan, China und nahm seinen Heimweg durch die Mongolei, Sibirien, über den Ural und den Kaukasus. Die dritte große Reise führte ihn in die Kulturländer des alten Amerika.- Zwischen­durch vollbrachte er im Interesse derDeutschen Gesellschaft für die Erforschung des inneren Afrika" eine Recognoscirung nach der Loangoküste. Reich­sten Gewinn für die Wissenschaft hat er nach jeder Heimkehr in umfangreichen Schriftwerken niederge­legt einen fast unversiegbaren Quellenschatz für den späteren gelehrten Ausbau der anthropologischen Wissenschaft.