Heft 
(1881) 300
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716 Jllustrirte Deuts

straten hatte den Gelehrten vor das Ketzergericht zn Mainz geladen, fühlte sich aber in der entzündlichen Stadt selbst nicht sicher. Er zog die Sache nach Speier, wo Reuchlin freigesprochen wurde. Der Papst schob die Sache hin­aus, es handelte sich aber um Erstattung der Gerichtskosten. Da mischte sich Sickingen ein mit einer Schrift:Er- voderung und Verkündung an und wider Provincial prioren und Conventen Pre­diger ordens teutscher Nation und sunder­lichen Bruder Jacoben von der Hochstra- ter von wegen und namen des hochgeler- ten und weitberühmbten Hern Johann Renchlins beider Rechten doctor." Hog- straten erschien auf Landstuhl und mußte eine scharfe Predigt hören. Im Mai 1520 wurde die Sache ausgetragen. Hog- straten wurde von seinen Mönchen abge­setzt. Als der Papst sich gegen Reuchlin entschied, intervenirten mächtige Persön­lichkeiten, und Sickingen stand als Schützer der freien Wissenschaft glorreich da.

Franz stand aus der Höhe seiner Macht, am nächsten Ziele seines Ehrgeizes. Klar blickte sein großes Auge unter gewölbter Stirn in die Welt; nachhaltige Ent­schlossenheit lag auf seinen Lippen; kräftig und gedrungen war die Statur.

Wir sind bei dem großen Wendepunkte in der Geschichte Deutschlands augelangt: bei der Reformation Martin Luther's. Dieses Weltereigniß übte auch auf Sickin­gen den mächtigsten Einfluß; es verlieh ihm, was bei seinen bisherigen Vorübun­gen noch gefehlt hatte, eine geistige Rich­tung, ein Pathos.

Dabei wird es unumgänglich, des sprü­henden Feuergeistes kurz zu gedenken, der auf Sickiugen so bedeutsam maßgebend eingewirkt, der ans diesen die höchsten und stolzesten Hoffnungen setzte: Ulrich v. Hntten's. Hutten war ohne jegliche Macht, aber von hoher Bildung und zum Regenerator deutscher Nation wie ge­boren. Sickingen besaß Macht, großen Einfluß, Lernbegierde und Lernfähigkeit und einen starken Arm. Hutten war der Lehrer, Sickingen der gelehrige Schüler. Der Drang zur That glühte in Beiden, in Hutten noch enthusiastischer

che Monatshefte.

als in Sickingen; jener rechnete nur mit seinen Idealen, dieser nothwendig auch mit den Verhältnissen.

Ulrich Hutten war ein Reformator der Kirche vor Luther. Nach seiner ersten Romfahrt von 1511 schrieb er heftig gegen den Papst, den kriegerischen Julius II.. zugleich auch gegen französische Sitten und Listen. 1515 erschienen die vier classischen Briefe gegen Ulrich von Würt­temberg, den Mörder seines Vetters. 1517, im Jahre der Thesen, veröffent­lichte Hutten die Schrift des Laurentius Balla über die constantinische Schenkung in deutscher Sprache: die Päpste standen da als Lügner und Räuber. Ueber Rom sagte er, es sei der Ort,

Wo mit dem Heiligen man selber den Gott auch

verkauft.

Wann doch kommt es dahin, daß Deutschlands

Augen sich öffnen?"

Am zweiten Theile derBriefe der Dun­kelmänner" hat Hutten den größten An- theil. In deinTriumph Reuchlin's" ries er aus:Es erstarken die Künste, es kräftigen sich die Wissenschaften, es blühen die Geister. Selbst der Papst schämt sich eurer Dummheit. Wollt ihr's noch ein­mal wagen? Thut es nicht! Deutsch­land hat jetzt Augen."

Auf Deutschland kam der Reformator und Humanist stets zurück. Des Vater­landes Errettung von geistlichen und weltlichen Tyrannen, des Vaterlandes Größe und Freiheit: das war das Pathos des Ritters von dem heiligen Geist. Sickingen erschien ihm als der providen- tielle Mann, der seine Ideen theilen und ausführen könnte. Gegen Glück und Un­glück gleich gewappnet, hochgesinnt, ein unbezwinglicher Geist, so charakterisirte er den Freund. Deutschland habe einen solchen Mann lange nicht besessen. Er sprach die Hoffnung aus,daß durch die­sen Mann der Nation großer Ruhm er­wachsen werde." Er besitze alle großen Eigenschaften der Alten:Klugheit. Be­redsamkeit, Thatkraft und Regsamkeit, wie sie einer leitenden Persönlichkeit er­forderlich sind."

Die Anfänge Luther's: den Anschlag der Thesen, die Disputation mit Eck, sah der feurige Hutten noch alsMönchs- gezänke" an und meinte, die Gegner soll­ten sich unter einander auffressen. Als