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straten hatte den Gelehrten vor das Ketzergericht zn Mainz geladen, fühlte sich aber in der entzündlichen Stadt selbst nicht sicher. Er zog die Sache nach Speier, wo Reuchlin freigesprochen wurde. Der Papst schob die Sache hinaus, es handelte sich aber um Erstattung der Gerichtskosten. Da mischte sich Sickingen ein mit einer Schrift: „Er- voderung und Verkündung an und wider Provincial prioren und Conventen Prediger ordens teutscher Nation und sunderlichen Bruder Jacoben von der Hochstra- ter von wegen und namen des hochgeler- ten und weitberühmbten Hern Johann Renchlins beider Rechten doctor." Hog- straten erschien auf Landstuhl und mußte eine scharfe Predigt hören. Im Mai 1520 wurde die Sache ausgetragen. Hog- straten wurde von seinen Mönchen abgesetzt. Als der Papst sich gegen Reuchlin entschied, intervenirten mächtige Persönlichkeiten, und Sickingen stand als Schützer der freien Wissenschaft glorreich da.
Franz stand aus der Höhe seiner Macht, am nächsten Ziele seines Ehrgeizes. Klar blickte sein großes Auge unter gewölbter Stirn in die Welt; nachhaltige Entschlossenheit lag auf seinen Lippen; kräftig und gedrungen war die Statur.
Wir sind bei dem großen Wendepunkte in der Geschichte Deutschlands augelangt: bei der Reformation Martin Luther's. Dieses Weltereigniß übte auch auf Sickingen den mächtigsten Einfluß; es verlieh ihm, was bei seinen bisherigen Vorübungen noch gefehlt hatte, eine geistige Richtung, ein Pathos.
Dabei wird es unumgänglich, des sprühenden Feuergeistes kurz zu gedenken, der auf Sickiugen so bedeutsam maßgebend eingewirkt, der ans diesen die höchsten und stolzesten Hoffnungen setzte: Ulrich v. Hntten's. Hutten war ohne jegliche Macht, aber von hoher Bildung und zum Regenerator deutscher Nation wie geboren. Sickingen besaß Macht, großen Einfluß, Lernbegierde und Lernfähigkeit und — einen starken Arm. Hutten war der Lehrer, Sickingen der gelehrige Schüler. Der Drang zur That glühte in Beiden, in Hutten noch enthusiastischer
che Monatshefte.
als in Sickingen; jener rechnete nur mit seinen Idealen, dieser nothwendig auch mit den Verhältnissen.
Ulrich Hutten war ein Reformator der Kirche vor Luther. Nach seiner ersten Romfahrt von 1511 schrieb er heftig gegen den Papst, den kriegerischen Julius II.. zugleich auch gegen französische Sitten und Listen. 1515 erschienen die vier classischen Briefe gegen Ulrich von Württemberg, den Mörder seines Vetters. 1517, im Jahre der Thesen, veröffentlichte Hutten die Schrift des Laurentius Balla über die constantinische Schenkung in deutscher Sprache: die Päpste standen da als Lügner und Räuber. Ueber Rom sagte er, es sei der Ort,
„Wo mit dem Heiligen man selber den Gott auch
verkauft.
Wann doch kommt es dahin, daß Deutschlands
Augen sich öffnen?"
Am zweiten Theile der „Briefe der Dunkelmänner" hat Hutten den größten An- theil. In dein „Triumph Reuchlin's" ries er aus: „Es erstarken die Künste, es kräftigen sich die Wissenschaften, es blühen die Geister. Selbst der Papst schämt sich eurer Dummheit. Wollt ihr's noch einmal wagen? Thut es nicht! Deutschland hat jetzt Augen."
Auf Deutschland kam der Reformator und Humanist stets zurück. Des Vaterlandes Errettung von geistlichen und weltlichen Tyrannen, des Vaterlandes Größe und Freiheit: das war das Pathos des Ritters von dem heiligen Geist. Sickingen erschien ihm als der providen- tielle Mann, der seine Ideen theilen und ausführen könnte. Gegen Glück und Unglück gleich gewappnet, hochgesinnt, ein unbezwinglicher Geist, so charakterisirte er den Freund. Deutschland habe einen solchen Mann lange nicht besessen. Er sprach die Hoffnung aus, „daß durch diesen Mann der Nation großer Ruhm erwachsen werde." Er besitze alle großen Eigenschaften der Alten: „Klugheit. Beredsamkeit, Thatkraft und Regsamkeit, wie sie einer leitenden Persönlichkeit erforderlich sind."
Die Anfänge Luther's: den Anschlag der Thesen, die Disputation mit Eck, sah der feurige Hutten noch als „Mönchs- gezänke" an und meinte, die Gegner sollten sich unter einander auffressen. Als