Heft 
(1881) 300
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Grün: Franz

aber die Bannbulle gegen Luther heran­drohte, da hatte Hutten seinen Mann ge- ^ fanden und schrieb nach Wittenberg: Du, sei sest und stark und wanke nicht! Verfechten wir die gemeine Freiheit, be­freien wir das unterdrückte Vaterland!" Die Bannbulle erschien am 15. Juni 1520, und Luther wandte sichan den christlichen Adel deutscher Nation". Dann verbrannte er die Bulle vor dem Thore zu Wittenberg.

Die beiden Strömungen, die politische und religiöse, schienen sich zu verbinden und den Wirbel zu erzeugen. Hutten hatte schon seit 1518 den Plan gefaßt, die Territorialherren zu bekämpfen, den Kaiser zu erhöhen, eine Landeskirche zu gründen und das römische Recht abzu- schasfen. Viel zu viel auf einmal, die Strömungen sollten bald weit ans ein­ander gehen.

Seit dem Herbst 1520 fühlte sich Hutten nur noch sicher auf der Ebernburg, da der Papst seine Auslieferung nach Rom ver­langte. Auch Luthern wurde dieses Asyl von Sickingen angeboten; eine gleiche Einladung an den Reformator erfolgte von Sylvester v. Schaumburg. In der Herberge der Gerechtigkeit" trotzten gar manche Männer dem Zorn des Papstes und seiner Schergen: Martin Bucer, der Exdominicaner, Johann Schwebel ans Pforzheim, der theologische Beirath Sickin- gen's, Aquila, sein Feldprediger, Oecolam- padius, sein Burgcaplan. Messe, Evan­gelium und Epistel wurden deutsch vorge­tragen : der erste evangelische Gottesdienst aus deutscher Erde! Und Bucer pries das protestantische Pathos des Burgherrn im Psalmenton: Sickingen habe mehr Muth als alle Fürsten zusammengenommen; er halte es für das Höchste, um Christi willen in den Tod zu gehen. Derweilen errichtete Hutten auf derselben Ebernburg eine Druckerei, eine Stückgießerei und eine Pulverfabrik. Cromwell theilte sich da in zwei Theile: während der eine betete, hielt der andere fein Pulver trocken.

Franz v. Sickingen zählte dreiund­vierzig Jahre, als die Würfel auf dem Reichstage zu Worms sielen. Vermuthlich dem jungen Kaiser zu Gefallen wollte er auf der Ebernburg ein Religionsgespräch zwischen Luther und dem kaiserlichen Beichtvater Glapio veranstalten. Glapio

von Sickingcn.

war ein feiner gelehrter Frauciscaner, der, wie die Besseren seines Ordens, vor Allem der Schwabe Eberlin v. Güuz- burg, dem deutschen Augustiner Verstäud- niß entgegenbrachte und mit dem Luther sich vielleicht verständigt hätte, wären keine kirchlichen Macht- und Geldfragen auf der Welt gewesen. Luther schlug die Zusammenkunft ab: Glapio könne ihn in Worms sprechen.

Hutten sah von der Ebernburg aus die Dinge anders an. Er hielt eine Verstän­digung für unmöglich; er fürchtete das Aergste für Luther und rieth zum Aeußer- sten. Als der Kaiser das Verbot von Lnther's Schriften auschlagen ließ, erschie­nen Drohplacate an den Mauern von Worms: der Reichstag solle sich in Acht nehmen, 400 Edelleute und 8000 Bauern seien bereit. Ja, man las das entsetzende Wort:Bundschuh." Hinter den Placaten steckte sicher Hutten; Sickingen's Reiter standen nur für den Fall bereit, daß man Luther das Geleit nicht hielte.

Hutten hatte es auf den päpstlichen Legaten Aleander abgesehen, in dem er des jungen Kaisers bösen Dämon erblickte. Er wollte ihn mit Gewalt aufheben lassen. Sickingen widersprach, und gewiß mit Recht. Eine Rechtsverletzung an einer einzelnen Person verüben, ehe ein Rechtsbrnch auf der anderen Seite vorlag, wäre zum mindesten eine verderbliche Herausforde­rung gewesen. Der schlaue Aleander spürte allerdings recht gut, was in der Luft schwirrte und was die Ebernburg bedeutete. In einem seiner Berichte heißt es:In der That ist Sickingen jetzt allein in Deutschland König, denn er hat Ge­folge, wann und wie viel er will. Andere Fürsten sind unthätig, die Prälaten zittern und lassen sich verschlingen wie die Ka­ninchen." Ein andermal heißt es:Und in Wahrheit ist Sickingen beim jetzigen Stand der Dinge der Schrecken Deutsch­lands, vor dem alle Anderen erstarren."

Sickingen, ebenso besonnen wie ent­schlossen, war offenbar der Ansicht, man müsse den Reichstag erst schlüssig werden lassen, um eintretenden Falls ein plau­sibles und weitschallendes Motiv znm Losschlagen zu haben. Als Luthern das freie Geleit gehalten und erst nachträglich, wenn auch in höchst incorrecter Weise, die Acht über ihn ausgesprochen wurde, hielt