Heft 
(1881) 300
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718 Jllustrirte Deut

Sickingen an sich. Was Acht und Aber­acht bedeuteten, wußte er aus eigener Erfahrung. Hauptsächlich aber gab er den jungen Kaiser nicht auf; er stand ja in dessen Diensten, baute sicherlich aus sein persönliches Verhältniß zu ihm uud hoffte wohl, einen Aleander uoch auszustechen und die kaiserliche Macht trotz der be­drohlichen Wahlcapitnlation über die Fürstenthümer zu erhöhen. Ohne die Her­stellung der vollen Kaisermacht sah ja die ganze Bewegungspartei, bis zu den Bauern hinab, kein Heil. In diesem Gedanken ließ Sickingen sein religiöses Pathos für den Augenblick ruhen, ohne das Geringste davon anfzngeben.

Am Horizonte der auswärtigen Politik stand der unausbleibliche.Kampf zwischen Deutschland und Frankreich, der nach der Kaiserwahl den Titel führte: Valois eonti-n Habsburg. Da man noch mit einem Fuße im Mittelalter stand und selbst die gravitätischen Allüren der Mon­archen das alte ritterliche Gebühren noch an sich trugen, so fädelte man die gro­ßen Kriege durch Privatfehden ein, mas- kirte wohl gar den Conflict der Groß­mächte durch einen junkerlichen Fehdebrief. Franz I. hetzte also den unruhigen, hin und her schwankenden Robert von der Mark in Sedan gegen des Kaisers nieder­ländische Besitzungen. Wider ihn zog Graf Heinrich von Nassau. Zugleich sielen Franzosen in Navarra ein und nahmen Pampeluna. Seine eigentliche Truppenmacht aber stellte Franz, als ginge ihn der Strauß des Herzogs von Bouillon noch gar nichts an, vorläufig in Bereitschaft. Da entbot Kaiser Karl seinen Kämmerling und Hauptmann Franz v. Sickingen, der sich in Wildbad das Podagra wegbadete, aus Ende Juli 1521 mit 2000 Reisigen und 15 000 Lands­knechten nach Diedenhofen. Anfang August war Sickingen zur Stelle. Zunächst kam es nicht zum Kriege, weder mit Robert noch mit Franz; Sickingen vermittelte vielmehr zwischen seinem alten und seinem neuen Freunde, zwischen Robert und Karl.

Es war nur eine kleine Pause; der wirkliche Krieg zwischen Karl und Franz brach kurz nachher aus, und schon am 29. August standen Sickingen und Nassau vor Mouzon an der Maas. Die Stadt wurde genommen. Jetzt gab es sofort

sche Monatshefte.

Zwiespalt im Obercommando. Nassau wollte vor Meziöres rücken und diese durch den gewundenen Fluß geschützte Festung belagern. Sickingen war, trotz seiner guten Geschütze, seit Worms nicht für lange Belagerungen. Der Widerspruch zwischen Harnisch und Karthaune, der die ganze Zeit kennzeichnet, war durch die fünf Kugeln in seinem Wappen nicht ge­tilgt. Der Ritter, darin einverstanden mit der napoleonischen Strategik, drang darauf, sofort ins Herz des feindlichen Landes eiuzubrechen. Dort gab es auch das zu holen, was er nicht mehr und der Kaiser niemals hatte Geld. Nassau setzte jedoch seinen Willen durch, und Me- ziöres wurde belagert. Ju Mezwres be­fehligte keiu Anderer als der kühne Bayard, derRitter sonder Furcht und Tadel". So standen sie sich denn einander gegen­über, die beiden typischen Rittergestalten Deutschlands und Frankreichs, beide be­rühmt, beide unsterblich und doch wie grundverschieden ' Bayard, der dienende Ritter, durchaus königlich, während sein König selbst den ersten Ritter seines Lan­des spielte. Franciscus, der Ritter deut­schen Schlages vom Scheitel bis zur Sohle, der einem diplomatischen Kaiser zu Hülfe gezogen. Bayard, ganz aus­gehend in die nationale Einheit Frank­reichs; Franciscus, mit Sonderideen er­füllt, nach einer besseren Form für Deutsch­land trachtend. Bayard, ungebildet, ganz Krieger und Held, unverwüstlich tapfer; Franciscus, der Freund Hutten's, Rench- lin's und Luther's, einer Idee gehorchend und für sie sein Leben einsetzend. Bayard, ruhmredig, rhetorisch, ausfahrend; Fran­ciscus, bescheiden, einfach, selten heftig.

Die Belagerung nahm schlechten Fort­gang, ein Entsatzheer rückte heran, Sickin­gen zog sich auf das rechte Maasufer zu­rück und zerfiel gänzlich mit Nassau. Auch Mouzon ging wieder verloren. Sickingen that nicht mehr mit. Den Klatsch der Verleumdung mochte er ruhig hinnehmen, aber er konnte sein Kriegsvolk nicht bezahlen und hatte schwere Verluste an Geschütz erlitten. Endlich erkannte ihm der Kaiser persönlich 76 000 Goldgulden und 150 Centner Kupfer zu; die 20 000 Gulden von früher standen auch noch aus. Die Zahlung wurde immer weiter hinaus­geschoben; später hat sich Margarethe von