Toni.
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„Ich, keine".
„Aber das läßt sich oft nicht so toll träumen, wie es hergeht. Er ist in das Alter getreten, wo die Gefahren für junge Leute beginnen. Auch mein Sohn giebt mir Sorgen genug. Ich weiß, daß er Bälle besucht, wo zweideutige Frauenzimmer hinkommen. Ein Brief hat es mir verrathen".
„Du hast ihn eröffnet?"
„Nein, — gesunden. In der Schublade. Doch — besser flüchtige Verirrungen, als eine Liebschaft, die von beiden Seiten ernst genommen wird. O, das sind gefährliche Jahre! Gefährliche Jahre!"
„Ich glaube auf Armin bauen zu können", nahm meine Mutter die Unterredung nach einer Weile wieder auf. „Er ist nur gar zu ungesellig, weicht nur zu sehr allen Vergnügungen aus. Ich halte alles für jugendliche Unzufriedenheit, für Ehrgeiz, Weltschmerz. Wenn der Mensch meint, daß die Welt nicht so ist, wie er sie träumt, beginnt für ihn eine Epoche der Niedergeschlagenheit".
„Da hilft nichts, als Ortswechsel, Zerstreuung", meinte die Freundin. „Schick ihn nur wieder fort, er soll sich noch eine Weile herumtummeln".
Meine Mutter billigte das; es kam meinen Wünschen entgegen. Es war auch Hoffnung da, daß ich binnen vierundzwanzig Stunden die gesuchte Summe beisammen habe werde.
Wirklich ging jetzt Alles nach Wunsch. Als ich wieder im Wagen saß, war mir wie einen: Gefangenen, von den: die Ketten abfallen. Freude, Jubel, die feurigste Ungeduld, die Geliebte wiederzusehen, erfüllte meine Seele.
Drei Tage später stieg ich freudeklopsenden Herzens die Anhöhe vor Kranderg hinan, trat leisen Schrittes über die wohlbekannte Schwelle, hörte, nachdem ich geklopft, das melodische „Herein" einer wohlbekannten Stimme und — stand vor Toni. Sie saß allein, mit einigen Wäschestücken beschäftigt, vor ihrem Arbeitstischlein. Als sie mich sah, entfärbte sie sich, griff an die Stirn und sank, ohne ein Wort zu reden, auf die Stuhllehne zurück. Ich flog ans sie zu, erzählte in fliegender Eile von meiner Sehnsucht, sie wiederzusehen. Ob sie meiner inzwischen gedacht, brauchte ich nicht zu fragen — ihre Mienen sagten es genugsam.
Da schloß ich sie in die Arme.
Ihre erste Frage war, wie lange ich bleibe?
„So lange es Dir recht ist!" war meine Antwort.
Da war es plötzlich, als befiele sie eine seltsame Angst.
„Gehe lieber wieder", ries sie. „Gehe! Wohin soll das führen, daß wir uns lieben? Du, der Sohn einer reichen vornehmen Frau, ich, armer Leute Kind? .... Nun weißt Du auch, warum ich Dir nicht geschrieben habe. ..."
Ich war durch solchen Empfang verletzt, gedemüthigt, beleidigt. Stumm saßen wir einander gegenüber.
Gleich darauf trat die Mutter ein.