j56 - Alfred Meißner in Bregenz. -
Sie äußerte geringe Freude, mich wiederzusehen, reichte mir keine Hand, war ernst und schroff und machte sich mit einem Handkorb, der in der Ecke stand, zu thun. Nun kam sie vor und fing von ihrer Schuld zu sprechen an.
„Heute, sehen Sie", hob sie an, „stehen die Sachen anders! Ich Hab» mich aus meiner Unthätigkeit aufgerafft und das gethan, was ich längst hätte thun sollen. Was sollen wir zwei Frauenzimmer hier in Kranberg? Ich habe einen Käufer für mein Haus. Ein Brief an Ihre Frau Tante liegt schon fertig geschrieben — ehe vier Wochen umgehen, hoffe ich ihr meine ganze Schuld aus Kreuzer und Pfennig abzutragen".
„Der Brief ist unnütz!" rief ich. „Und verkaufen Sie auch nicht Ihr Haus! Da es so steht, sage ich Ihnen: Ihre ganze Schuld ist so gut wie getilgt. Dieser Tage bringe ich Ihnen die Quittungen!"
„Das ginge doch sonderbar zu!" höhnte die Wittwe. „Wie kämen Sie, ein ganz junger Mensch, dazu, über so viel Geld zu verfügen?"
„Sei's so, oder so!" antwortete ich, „es ist: Ihr Haus wird schuldenfrei".
„Dann wäre ich Ihre Schuldnerin", entgegnete sie. „Ilm so eher müßte ich zahlen! Oder sollte ich von Jemandem, der selbst noch kein Vermögen besitzt, etwas annehmen? Ich fürchte, Sie haben mit dem gezahlt, was Ihnen nicht gehört! Die Summe, die uns so oft schlaflose Nächte gemacht, ist doch nicht ein bloßes Taschengeld! Und wie kämen gerade Sie dazu, das alles für uns zu thuu?"
„Da Sie es wissen wollen", antwortete ich, ohne die Tragweite meiner Rede zu bedenken, „so sage ich Ihnen, indem ich Ihnen helfe, will ich eine Schuld abtragen, die ich schwer auf mir lasten fühle. Hören Sie ein Geständniß, das mich lange schon drückt, und wenn ich es abgelegt habe, verzeihen Sie mir, als einem unwissend Schuldigen! Der Knabe, der den Maurer Erhardt, Ihren Mann, in Verdacht und Unglück gebracht — ich bin es!"
„Das sind Sie gewesen?" fragte die Frau, mich mit finstern Augen ansehend. „Sehen Sie, ich hab's geahnt. Darüber könnte man abergläubisch werden!"
„Ich bin es!" wiederholte ich.
„Dann sehe ich wohl", fuhr sie mit finsteren Blicken fort, „daß wir beide — Toni und ich — doppelt rasch von Ihnen loskommen müssen. Sehen Sie denn nicht, daß es vorausbestimmt ist, daß Sie immer wieder ein Unglück über uns heraufführen? Ich weiß, was ich thue, indem ich mich vor Ihnen zurückziehe und Toni befehle, ein Gleiches zu thun ..."
„Das ist zu viel!" rief ich. „Ich habe Ihnen nie schaden wollen und stehe da, Ihnen zu helfen ..."
Indem ich es sagte, streifte mein Blick über Toni, die wortlos und todtenbleich dafaß.
„Ja, Sie wollen uns helfen!" rief Frau Erhardt mit wildem Hohne. „Ich weise alles zurück, was von Ihnen kommt. Was? Sie gehen mit