Toni.
Hut in die Welt hinaus blickend, sah sie in meinen Armen unter dem Schauer einer Gewitternacht, da sich auch in uns die Stürme entbanden und uns Schauer durchrieselten, die abzuwehren wir zu schwach gewesen. Oft meinte ich zu vergehen.
Meine Mutter meinte es gewiß gut mit mir — wie wäre das anders möglich, sie sah die Verwandlung in mir, sah, daß ich litt, aber sie verlangte wohl, daß ich mich ihr aus freien Stücken entdecke. Ich aber wußte, daß, wenn ich einmal das erste Wort gesagt, ich ihr alles erzählen müßte — und davor scheute ich mich. Ich wußte, daß mir ein Geständniß Erleichterung schaffen würde — dennoch blieben meine Lippen verschlossen.
„Was ist Dir?" wendete sie sich oft an mich, so sanft, als es ihr möglich war.
„Mutter" — sagte ich, sie umschlingend. „Nein, besser alles allein tragen!" rief es wieder in mir und ich brachte kein Wort hervor.
Verletzt durch den Mangel an Vertrauen, entfernte sie sich wieder. Wußte sie vielleicht mehr, als sie zeigte?
Gegen Weihnachten kam ich endlich zu einem Entschlüsse. Ich wollte abreisen und Toni aufsuchen. Und zwar wollte ich meine Nachforschung in Kranberg beginnen. Das Dringende in meinem Betragen, das Befremdende einer Abreise zu einer Zeit, da alles zu Hause bleibt, erschreckte alle Hausgenossen, und da kein Anlaß da war, der den Sturm erklären konnte, so meinte eine alte Magd, das Factotum des Hauses, ich sei schwermüthig und werde mir noch ein Leid anthun. Die Meinung verbreitete sich, Muhmen und Basen stimmten bei. Meine schon seit langer Zeit finstere Stimmung, das Ungewöhnliche meiner Verschlossenheit, war, wie es nun hieß, schon lange aufgefallen. Man wollte schon seit Monaten einen unerklärlichen Gram an mir bemerkt haben. „Der trägt einen bösen Vorsatz in sich", hieß es, „geben Sie Acht, er führt ihn noch aus".
Angewohnte Schonung meiner Umgebung hielt mich noch einige Tage fest, dann steigerte sich mein Wille und siegte über alle Hindernisse. Ich kündigte meine Abreise an. Auffallenderweise setzte Mir die Mutter geringeren Widerstand entgegen, als alle Anderen. Sie wollte meine Reise nicht verhindern, fragte eigentlich gar nicht nach dem Grund derselben, nur bat sie, ich möge bald heimkehren. Ich schrieb noch ein paar Zeilen an meine Freunde, und schon hatte ich mich auf den Weg gemacht.
Es war ein strenger Winter. Schnee war in großer Menge gefallen und bedeckte alle Straßen. Tie Bäume standen wie todt in der Erde, die Hütten der Dörfer schienen halb eingesunken, die Dächer wie zum Einsturze belastet. Ich fühlte nichts vom Froste, wie ich in der Ecke des schlechtgeheizten Eisenbahnwagens saß. Der Abend sank über einem traurigen Landschaftsbilde, die Gedanken führten mich in die Berge. Ich sah Toni in ihrer Stube, Spitzen klöppelnd, indeß die Mutter das Spinnrad schnurren ließ. Die Kerze beleuchtete das geliebte Gesicht. Warum war es so bleich? Zittert