Issue 
(1880) 38
Page
174
Turn right 90°Turn left 90°
  
  
  
  
  
 
Download single image

entrissen, eine Weile warst Du betrübt, nun fängst Du schon an, Dich zu trösten. Welche Schwäche! Wer getröstet ist, liebt nicht mehr. War sie wirklich lebendig in Deiner Seele, daß Zeit und Tod das Bild auslöschen können? Liebe sie über das Grab hinaus, oder verachte Dich! . . .

Während dieser Zeit schwankender Stimmung kam seltsamerweise plötzlich etwas, was mich unheimlich an alles Erlebte mahnte. Ich erhielt durch die Post einen anonymen Brief; unorthographisch, aus grobem Papier las ich folgende Worte:

Dieser Winter wird für Sie nicht gut zu Ende gehen. Es wird Sie ein Unglück treffen, als wohlverdiente Strafe Ihrer Schlechtigkeit".

Dieser Brief konnte offenbar von keinem Anderen herrühren, als vom jungen Erhardt. Hatte ich doch wahrlich Niemand gekränkt oder geschädigt! Der Brief trug zwar den Poststempel einer mehrere Meilen entfernten Stadt, dessenungeachtet war ich überzeugt, daß der Schreiber in der Nähe sei. Es war mir fast recht. Ich fürchtete ein Zusammentreffen mit Toni's Bruder nicht und glaubte nach gehabter Auseinandersetzung etwas Positives zu ver­nehmen. Ich hatte vergebens die Zeitungen nach Nachrichten über den Untergang eines Auswandererschisfes durchstöbert.

Ich änderte trotz des Drohbriefes meine Lebensweise in keinem Punkte, meinte durch Besonnenheit und Ruhe alles zu wenden, und der Winter ging um, ohne daß mir irgend Etwas zugestoßen wäre. Ich hatte in meinen Studien und in der Dichtung Zerstreuung und Ableitung von schmerzlichen Gedanken gefunden. Mehrere Personen, die dem Theater nahe standen, wollten mir wohl, es hatte den Anschein als ob meinMilton" zur Auf­führung gelangen werde.

In dieser Hoffnung bestärkte mich auch ein Briefchen, das mir durch die Stadtpost zukam. Ein Fräulein Laura Taroni forderte mich auf, sie zu besuchen. Sie verglich sich scherzhaft mit dem Mäuslein der Fabel, das in die Lage kam, dem Löwen einen so großen Dienst zu erweisen. Sie bat mich um ein Exemplar meines Stückes, vielleicht könne sie demselben den Weg zu einer Hosbühne bahnen.

Der Name der Briefstellerin war mir nicht unbekannt. Laura Taroni war der unlängst glanzvoll aufgegangene Stern des zweiten Theaters unserer Stadt. Wie sie dazu kam, einem ihr völlig unbekannten Autor ihre Hilfe

anzubieteu, war mir unerklärbar, und auch die Art der Hilfe nicht klar.

Hatte sie Einfluß auf einen Intendanten? Wünschte sie die Rolle für einen ihr befreundeten Schauspieler? Doch bei solchen Erwägungen hat sich noch nie ein junger Autor lange aufgehalten, er steckt sein Manuscript zu sich und setzt seine Hoffnungen auf irgend eine Nummer.

Die im Briefe vergessene, aber an der Theaterkasse erfragte Adresse führte mich an einem der nächsten Nachmittage in einen sehr entlegenen, aber

neuen und eleganten Stadttheil, wo fast jedes Haus seinen Garten hatte.

Der Frühling meldete sich schon, die Hecken schlugen aus. Ich hatte, in