Issue 
(1880) 38
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Toni.

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zu einem Spiegel. In einem Nu hatte sie die ganze Tracht schwarzer Haare vom Kopfe gehoben und stand in rothblonden Locken vor mir.

Es war Fidele.

Jetzt kennen Sie mich?" sagte Sie, mir die Hand reichend.

Sie, Fräulein, Laura Taroni?" ries ich und suhlte mich wie erlöst von einem unheimlichen Spuke.

Ist es denn so auffallend", sagte sie,daß ein Mädchen, das so lange die Zose einer großen Tragödin gewesen, auch zum Theater geht? Ich muß eben wirklich von Erlaucht etwas profitirt haben, denn es ist mir Alles merkwürdig leicht gegangen. Wissen Sie denn auch, daß ich sehr gefalle und viel Geld verdiene? Nun aber verzeihen Sie mir die Finte, die ich gebraucht, um Sie hierher zu bringen, setzen Sie sich und lassen Sie uns von der Ver­gangenheit schwatzen ..."

Von dem Abend an, der uns zusammengeführt, besuchte ich Fidele, oder Laura Taroni, wie sie jetzt hieß, einigemal. Sie war gutmüthig und heiter, sie drang so energisch darauf, daß ich komme; ich konnte mich, ohne unhöf­lich zu sein, ihren Einladungen nicht entziehen.

Ihre Beliebtheit wurde mir erklärlich. Sie hatte so schöne Augen und so schöne Arme, so viel Humor und gute Laune, eine solche Force im Copiren und eine so hübsche Stimme! Was will das Publikum mehr, das im Theater Unterhaltung sucht, ohne dabei denken oder fühlen zu müssen? Fidele war gewiß für das moderne Operettengenre wie geschaffen ...

Sie führte mich in ihrer Wohnung umher, durch alle Zimmer; auch Küche und Domestikenwohnung mußte ich ansehen. Auch ihr Schlafzimmer Es ist jetzt nur mit Perse tapezirt", sagte sie, indem sie meinen Arm nahm, aber es kömmt schon noch blaßblauer Atlas hierher". Lachend führte sie mich wieder heraus.

Knapp und kurz, mit ihrem trockenen Humor, erzählte sie mir die Um­risse ihrer Lebensgeschichte. Als das sechste Kind eines Souffleurs war sie in Dürftigkeit und bei Schlägen ausgewachsen. In dünnen Kleidchen hatte sie bei rauhem Wetter von Laden zu Laden laufen müssen, um eine kleine Handarbeit anzubringen und hatte sich nicht heimgetraut, bis sie die kleine Summe beisammen hatte, die ihr Vater dann versoff. Oft hatte sie die Frage an das Schicksal gestellt, warum denn gerade sie es so schlecht haben müsse auf der Welt?

Da hatte Sophie Wallburg sie aus Barmherzigkeit zu sich genommen. Auch sie war von geringer Herkunft, ihr Vater ein ruinirter Maler, der sich in der Welt Herumtrieb; sie wußte, was Armuth ist. Fidele ward ihr unentbehrlich, und als Graf Greifenklau, der seit vielen Jahren zu Sophie Wallburg in Beziehungen gestanden, sie, härter und härter gedrängt, zur