Issue 
(1880) 38
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j?8 - Alfred Meißner in Bregenz. --

Gräfin machte, wurde Fidele in den neuen Hausstand hinübergenommeu. Nun war sie geborgen. Die Gräfin aber, launisch, zwischen Herablassung und Hochmuth schwankend, war keine gemüthliche Herrin. Hatte sie das Mädchen eine Weile gehätschelt, so drückte sie sie wieder, eine Stunde später, zur Magd hinab. Fidele aber hatte einen guten Kopf, sie begriff spielend, war ehrgeizig, das väterliche Blut wurde in ihr thätig und rief sie auf's Theater. So hatte Sie, ihrem natürlichen Talent vertrauend, sich auf ihre eigenen Füße gestellt. Ein Gönner hatte bei diesen Entschlüssen im Stillen mitgewirkt.

Eines Abends war ich auf Fidelens Bitten in's Theater gegangen, um sie in einer neuen Rolle zu sehen. Man gab eine der schnödesten Operetten des französisch-jüdischen Maestro. So scharf und schneidig war Laura Taroni noch nie gewesen. Logen und Parquct schwammen in Entzücken. Ich, im Gegensatz, war in einen wilden puritanischen Zorn hineingerathen.Das sind die musikalisch-dramatischen Werke", sagte ich zu mir,die in unserer Zeit Glück machen! Gassenhauer und Zoten beisammen, Blödsinn und Gemein­heit. Um der Erste zu sein, der einen solchen Wechselbalg vorführt, dampft der Director eigens nach Paris, während er die talentvolle, aber ehrbare deutsche Arbeit ungelesen läßt. Sieh diese Welt, sieh, was für Reizmittel ihre Apathie sucht, und miß den Abstand zwischen ihr und Dir!"

Ich ging nach dem ersten Stücke; der Theaterdiener kam mir nachge­laufen, Fräulein Taroni bitte mich, sie zu erwarten. Fast unmittelbar darauf sah ich sie herankommen.

Nun?" fragte sie rasch.Sind Sie zufrieden? Hab' ich Talent?"

Ei freilich, viel Talent. Nur ich bin offen thut es mir leid, daß Sie es an solche Aufgaben vergeuden"

Sie haben doch gelacht!" rief Fidele, indem sie sich in meinen Arm hing.

Nein. Ich hätte es gerne. Lachen befreit die Seele, aber ich konnte es nicht. Ich habe heute wieder einmal das Theater scheußlich gefunden. Fidele Sie sind so begabt warum schlagen Sie nicht einen anderen Weg ein? Sie wenden sich an ein Publikum, ein cynisches Monstrum von

Publikum, dem nur das Niedrige, sagen wir's heraus, die Zote gefällt. Je

gemeiner die Worte oder die Geste, desto größer der Jubel. Sie kokettiren mit diesem Ungeheuer, fordern es heraus. Zweideutige Witze, Tricots, Cancan - wohin gelangen wir auf diesem Wege? Tief, tief in den Schmutz!"

O pfui, wie können Sie mir das sagen? Warum muß ich einem Menschen gut sein, der mich immer wieder verletzt?"

Ich rede, wie ich es meine".

Und thun mir Weh".

Ich bin nur Ihr Warner. Jetzt trägt Sie die Jugend, die aller­frischeste Jugend. Vor der Hand scheint es Ihnen neidenswerth, nichts

zu sein, als ein liebenswürdiger Schalk. Was Sie thun und sagen, das