Issue 
(1880) 38
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s80 - Alfred Meißner in Bregenz.-

Danke, ich kehre heim. Meine Mutter erwartet mich zum Nachtessen".

Nun, so gehen Sie, Garstiger".

Sie zog rasch und stark die Glocke und verschwand im Hause.

Als ich den Heimweg antrat, war es Nacht geworden. Das Gas­lampenlicht, das in diesem wenig besuchten Quartier nicht durch die Be­leuchtung der Verkaufsläden unterstützt wurde, gab nur wenige Helle. Da trat, von: jenseitigen Gesteig herüberkommend, ein junger, schlechtgekleideter Mensch an mich heran. Den Hut schief aus dem Kopfe, drunter ein blasses zerstörtes Gesicht, Hielt er mich an und ersuchte mich um Feuer für seine Cigarre. Unter zehn Leuten meines Standes wären gewiß, da das Wetter rauh war, neun weiter gegangen, ohne das barsch gestellte Ansuchen weiter zu beachten. Ich aber, gewöhnt, Jeden wie meinesgleichen zu behandeln, blieb stehen. Ich reichte meine Cigarre hin und dachte mir, da der Mensch sie mit der linken Hand nahm, es sei ein verstümmelter, brotloser Arbeiter verwahrlost genug sah er aus.

Mit einem Male aber hatte er die hinter seinem Rücken verborgene Rechte hervorgezogen und führte mit einem Messer einen Stoß gegen meine Brust.

Ich stürzte mit einem lauten Schrei nieder, der Geselle ergriff die Flucht. Da kam ein Trupp Leute um die Ecke, ich hörte hinter mir Stimmen:Da hat man Einen todtgestochen! Greift den Thäter! Greift ihn!"

Ich fiel in Ohnmacht.

Als ich zum Bewußtsein erwachte, befand ich mich in einer nahe­gelegenen Apotheke. Eine ganze Schaar Menschen umstand mich. Man hatte mir Ueberrock und Rock ausgezogen, ein herbeigerufener Chirurg untersuchte ineine Wunde. Sie blutete nicht stark und war weniger gefährlich, als nach der Gewalt, mit der der Stoß geführt worden, hätte erwartet werden können. Das Messer war aufs Brustbein gestoßen.

Die Blutung wurde gestillt, ein Verband aufgelegt, man holte einen Wagen, der mich nach Hause brachte.

Das war der Bruder", sagte ich zu mir während des Fahrens.Er hat gethan, was er mir angekündigt hat. Wäre ich Laura Taroni gefolgt, ich säße jetzt im Sichern. Mir ist die moralische Laune schlimm bekommen . . ."

2

Am andern Tage erschien ein Beamter mit zwei Gerichtsärzten bei uns, um sich vom Tatbestände zu überzeugen.

Die erste Frage war, ob ich den Thäter zu nennen wisse?

Ich verneinte das.

Es ist doch, wie es den Anschein hat, kein Raubanfall beabsichtigt gewesen", sagte der Beamte.Die Sache hat das Aussehen eines Mordversuchs