Issue 
(1880) 38
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- Toni. - s85

So hast Du denn", fragte Toni sehr ernst,von den zwei Briefen, die ich an Dich geschrieben, keinen erhalten?"

Keinen! keinen! Wann hättest Du mir geschrieben?"

Das erste Mal ein kurzes Brieschen bald nach unserer Trennung, den zweiten von hier, etwa vier Wochen später".

Ihr lebtet also immer hier?"

Ja, immer. Der Bruder, weißt Du, war hier in der Fabrik. Er wohnte bei uns. bis er plötzlich verschwand, seinen heimlichen Plan aus­zuführen".

Sie begann laut zu weinen.

Daß ich keine Antwort erhielt", fuhr Toni fort,kränkte mich tief, schrecklich; es war mir ein Zeichen, daß Du von mir nichts wissen wollest, und damals ach, damals hatte ich es noch nicht übers Herz gebracht, von Dir zu lassen. Ich war so unglücklich, so tief elend, ich wünschte mir den Tod

Toni", rief ich,das ist mit seltsamen Dingen zugegangeu. Zwei Briefe und keiner in meine Hände gelangt! Dabei diese Gerüchte von Eurem Tode. Dahinter steckt etwas. Mir ist, scheint es, bös mitgespielt worden".

Du sagst", entgeguete Toni, und der Schmerzausbruch hatte sich in eine Anklage verwandeltDu sagst, Du hast nicht gewußt, was aus mir ge­worden ist. Du sollst keinen Vorwurf von mir hören, aber ich frage: warst Du unglücklich darüber? Hast Du es Dir zu Herzen genommen? Sprich, aus welchem Hause bist Du gekommen, als mein Bruder Dich anfiel?"

Mir ging bei dieser Frage ein unerwartetes Licht aus.

Mein Bruder haßte Dich", fuhr Toni fort und betrachtete Dich als unseren Feind.Daß Du Dich gar nicht mehr um mich zu kümmern schienst, brachte ihn oft wie von Sinnen. Es ist wahr, er trug sich schon lange mit finsteren Gedanken, und manches Wort, das er gesprochen, ist mir erst hinterher klar geworden. Ich weiß jetzt, daß er Dir einen Drohbrief ge­schrieben. Doch meine ich, wie er Dir auch nachging, er wäre nie zum Aeußersten geschritten, er wäre nie wie ein Mörder auf Dich losgesahren, wenn er nicht den Beweis gehabt hätte, daß Du mich so schnell vergessen hast. Das wird ihn zum Aeußersten gebracht haben".

Toni, Toni! Dann war der Stich, den ich erhielt, ein unverdienter. Aus meinen Besuch in jenem Hause brauchst Du wahrlich nicht eifersüchtig zu sein. Nie Hab' ich Dich vergessen, keinen einzigen Tag, keine Stunde. Ich liebte Dich, ich war dem Kummer meiner Gedanken überlassen und fand nirgends Trost. Hundert- und hundertmal des Tages ries ich mir Dein Bild vor die Seele, rief Dich, die ich für immer verloren zu haben glaubte. Doch sage, kann zwischen uns ein Zweifel aufkommen? Sieh mir in's Auge, lies in meiner Seele und vernimm meinen erneuerten Schwur, nie von Dir zu lassen".

Das darfst Du nicht schwören!" rief Toni mit abwehrender Bewegung.

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