Issue 
(1880) 38
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s88 - Alfred Meißn er in Breg enz. -

freigesprochen! Wollen Sie Toni noch Liebe versprechen? Warten soll die Thörin, Sie aber werden sie schließlich fallen lassen, wie ein abgetragenes Kleidungsstück. Ja, das werden Sie, ich weiß es. Wir haben Ihre Mutter kennen gelernt, und wissen, wie sie denkt. Hat aber sie ihren Stolz, so habe ich den weinigen. Mein Kind ist mir lieb, aber lieber noch unsere Ehre. Die Bekanntschaft mit Ihnen ist uns nur eine Quelle von Unglück geworden. Ist Toni brav und vernünftig, so findet sie Trost bei ihrer Mutter und endlich wird die Erinnerung an das Vergangene bei ihr absterben. Vergessen auch Sie uns. Es wird einem vornehmen jungen Herrn weniger Anstrengung kosten, als Sie jetzt denken. Leben Sie wohl!"

*

Finster, grollend, im Innersten empört und entrüstet, kam ich nach Hause zurück. Das erste Wort, das ich an meine Mutter richtete: die Bitte, unter vier Augen mit ihr zu sprechen, sagte ihr alles.

Mutter, Mutter", wandte ich mich an die vor mir Stehende,der Faden, den Du so fein gesponnen, ist zerrissen. War es recht, mir Briefe vorzuenthalten und mich irrezuführen, wie Du es gethan?"

Lassen sie Dich noch immer nicht los?" fragte die Mutter, rasch auf­fahrend.

Der Zufall allein", erwiderte ich,hat mich alles erfahren lassen. Ihm verdanke ich, was ich jetzt weiß. Die, die es trifft, haben still gelitten und geschwiegen. Sieh, Mutter, die Folgen! Welchen Schein habe ich auf mich geladen, und wie viel ist geschehen, weil ich nichts wußte? Ich habe Monate der Sorge, der Unruhe und der Trauer hinter mir ein Stück meines Herzens Hab' ich begraben. Doch das ist das Aergste nicht. Für einen Verräther, für einen Schurken wurde ich gehalten, weil ich wie ein Lebloser alles geschehen ließ. Gepflegt hast Du mich in meinem Wundfieber wie die beste Mutter, aber wäre jener Bruder wie ein Wilder auf mich losgefahren, wenn ich der Familie gegenüber nach meiner Pflicht und nach meinem Herzen hätte handeln können? Deine Politik hat sich schwer gerächt, und nie wird sie wieder gutzumachen sein!"

Ja, ich habe gefehlt", erwiderte meine Mutter.Ich hätte mit dem Briefe, mit dem ersten Briefe, als er ankam, vor Dich hintreten und Dich fragen sollen: mit wem hast Du Dich da eingelassen? Mit einem Schul­mädchen? Mit einer Dienstmagd? Ich hätte sagen sollen: öffne und lies mir vor! Komm, wir wollen es für nicht mehr nehmen, als es ist. Aber ich wollte Dir eine Beschämung ersparen und las allein. Schwärmerei, dachte ich, Jugendthorheit! Laß eine Zeit darüber hinweggehen, da erkennt mein Sohn sie selbst als solche. Doch ich erkundigte mich nach den Leuten und erst, da ich hörte, daß sie fortgezogen, ward mir ganz leicht. Jndeß gingst Du noch immer umher wie ein Suchender, der etwas vermißt, wie