200 - Runs Fischer in tseidelberg. - -
würde sich Gottsched dieses Verdienst in Deutschland, insbesondere um das deutsche Theater erworben haben, denn in diesem Sinne hat er gehandelt. Er nahm die deutsche Zeitphilosophie zu seiner Richtschnur, die „Wölfische", worin die Lehre unseres großen Leibniz nicht mehr lateinisch und französisch, sondern deutsch sprach, und zwar ein reinliches correctes Deutsch, worin jeder Gedanke, auch der selbstverständlichste, mit unbarmherziger Deutlichkeit bewiesen und vorgetragen wurde. Hier war die Philosophie wirklich so, wie sie Mephistoseles schildert: „Da lehret man euch manchen Tag, daß, was ihr sonst auf einen Schlag getrieben, wie Essen und Trinken, frei, Eins! Zwei! Drei! dazu nöthig sei". In dieser Gedankenfabrik ging alles regelrecht zu; auch in der Poesie sollte alles nach Regeln gehen, nach lehr- und lernbaren, die auszubilden Gottsched zu seinem Geschäft und Werk machte. Darin bestand seine „kritische Dichtkunst". Richtig denken heißt nach der Regel denken. Richtig dichten heißt nach der Regel dichten. Nimm einen moralischen Lehrsatz, ersinne dazu eine allgemeine Fabel, suche zu dieser in der Historie berühmte Leute, denen Aehnliches begegnet ist, bringe das Ganze in eine Handlung, theile sie in fünf Stücke, die ungefähr gleich groß sind: da hast du das Recept zu einer richtigen Tragödie! Das regelmäßigste Drama ist das mustergiltigste. Nach den Alten haben diese Kunst die Franzosen, vor Allen der große Corneille, am besten verstanden, sie sind unsere nächsten und lehrreichsten Vorbilder, nach deren Richtschnur das deutsche Theater umzugestalten ist: daher die Abschaffung der Singspiele und Harlekinaden, die Sammlung vorräthiger deutscher Stücke, die Anschaffung regelmäßiger Dramen durch Uebersetzungen und eigene Fabrikation. Als nachzuahmendes Vorbild für die Tragödie empfahl der Verfasser der kritischen Dichtkunst Sophokles und sich. Unter der Herrschaft der Regel und fremder, besonders französischer Vorbilder begründete Gottsched die Reform der deutschen Literatur und Bühne, in dieser Absicht entfaltete er eine große Betriebsamkeit, bei der alles ruhig und geschäftlich znging, wie in einer wohl eingerichteten Wirthschaft, ohne alle Erschütterungen der Phantasie und des Herzens. Die Poetik will die Poesie regieren und machen. Das war sein Standpunkt und Jrrthum. Sein Verdienst bleibt, daß er die Aufgabe der Reform auf die Tagesordnung der deutschen Literatur gesetzt hatte.
Nach Regeln und Vorschriften läßt sich fabriciren und wirthschaften, aber nicht dichten, so wenig wir nach Regeln empfinden und leidenschaftlich erregt werden, lieben und hassen, freudig und traurig sein können. Unsere Gemüths- bewegungen haben ihre Regeln und Gesetze, die man erkennt, wenn man ihren Ursprung durchschaut, aber sie entstehen nicht aus Regeln. Dasselbe gilt von der Dichtung. Darum war der Versuch, den Gottsched zur Reform der deutschen Literatur unternommen hatte, von Grund aus verfehlt. Man erzählt von einem Prinzenerzieher, der seinem Zögling verschiedene Vorschriften gab und unter anderem zur Pflicht machte: „Prinz, Sie müssen
sich auch manchmal amüsiren!" Eines Tages, als der Prinz mit seinen