Ueber G. L. Les sing.
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sie und dichtet darum nach ihrer Art. Als der erste in dieser Reihe und der Führer in dieser Richtung erscheint Fr. Hagedorn, der sich mit dem Horaz befreundet hatte, wie einige jüngeren Dichter, die Hallischen Studenten Gleim, Götz und Uz, mit dem Anakreon. Daß Wieland, als er noch den Schweizern diente, die neuen Anakreontiker verketzert hat, war ein ironisches Spiel seines Schicksals. Diese Poeten zeigen uns die ersten kleinen Anfänge einer deutsch empfundenen, ihrer Schülerschaft entwachsenden Renaissance. Das Thema, das sie erfüllte, konnte nicht einfacher und leichter sein: Wein und Liebe! Es drang noch nicht bis ins Leben, sondern blieb nur in der Phantasie; im Leben selbst Hielt man sich nüchtern und von den Erschütterungen des Eros unberührt. Es waren nicht die Leiden, sondern nur die Scherze der Liebe, die in Versen schäkerte und mit dem Feuer spielte. So lange
die Geliebte noch Chlos, Phyllis oder Daphne hieß, waren die Leiden
Werthers nicht zu fürchten. Wenn ich mir den Amor vorstellen will, mit
dem die Gleim, Götz und Uz so vertraut thnn, denke ich mir eine Porzellan- Figur nach dem Rococogeschmacke des Zeitalters. Aber daß man mit
einigen Dichtern des Alterthnms leben wollte wie mit seinen Freunden, änderte schon in etwas den unfreien, schülerhaften Charakter unserer Renaissance und trieb in eine Richtung, deren Ziel eine den großen Mustern des Alterthums congeniale Umbildung unserer Poesie und Literatur sein mußte.
VI.
Diese Empsindungsart war es, die Lessings erste poetische Regungen geweckt hat. Er wcrr noch Fürstenschüler in Meißen, als Gleims „scherzhafte Lieder" erschienen (1744). Seine ersten poetischen Versuche aus der Schulzeitstimmten sich auf die anakreontische Tonart; sein Vorbild war Hagedorn, den er in einem Brief an seinen Vater noch im Jahre 1749 „den größten Dichter der Zeit" nennt. Es ist ein sehr bemerkenswerther und von Danzel, seinem gründlichsten Biographen, mit Recht hervorgehobener Zug, daß Lessing gleich im Beginn seiner aufstrebenden Entwicklung die Poeten des Alterthums nicht schülerhaft erlernen, sondern rein menschlich empfinden und genießen will:
Ich singe nicht für kleine Knaben,
Die voller Stolz zur Schule gehn lind den Ovid in Händen haben,
Den ihre Lehrer nicht verstehn!
Schon auf der Klosterschule nahm er in dem Studium der alten Dichter seinen eigenen Weg; zu seinem Privatvergnügen las er die römischen Lnst- spieldichter Plautus und Terenz, nicht uni seine Gelehrsamkeit zu bereichern, sondern nur Welt und Menschen in ihnen kennen zu lernen, und nichts reizte seinen poetischen Nachahmungstrieb so lebhaft, als Werke dieser Art, welche die Thorheiten der Menschen dramatisch erleuchten. Plautus und Terenz waren damals seine Freude und seine Welt; selbst Komödien zu schreiben, sein erstes Wagniß, er bekennt seinem Vater, daß er nach dem Ruhm dürste,