Eine IVinterreise an den Königssee.
Von
Karl Stiel er.
— München. —
nter uns klangen noch die Weihnachtsglocken, es war Sanct Stephanstag und nach dem heimischen Zauber, den uns der Christbaum geschaffen, zog es uns noch hinaus in die Wirklichkeit von Wald und Tannen. Wir fuhren über Salzburg an den Königssee; der Peterskeller hatte seine Schuldigkeit gcthan, und vor demselben stand lustig klingelnd unsere Extrapost, ein offener Schlitten.
Endlich waren wir glücklich verladen; und eingehüllt wie grimme Nord- polsahrer, machten wir uns ans den Weg, der schon dicht vor der Stadt tief einsam wurde. Flatternde Naben im Schnee; ab und zu ein Wandrer, dem selbst der Gruß auf den Lippen erstarrte, das war das einzige Geleit, im Winterduft verschwamm die Veste Hohensalzburg, nur auf den Bergen lag noch die volle breite Sonne des Nachmittags. Aber der Tag geht schnell zu Ende in solcher Jahreszeit; um drei Uhr ist es noch goldig hell, um vier webt blaue Dämmerung, um fünf Uhr schwimmt der silberne Vollmond am Himmel. Unser Weg führt dicht am Untersberg dahin, dessen schroffe Felsen sich hier meilenweit auseinanderbreiten; an den rothen Steinwänden sind mächtige Marmorbrüche, an dem Bergbach gegenüber steht eine stumme Mühle,, und erstaunt blickt uns der Mauthner an, der bald an der Landesgrenze auZ dem Zollhaus trat. Er frug uns auf's Gewissen, was wir Steuerbares hätten, und dann winkte er mit der schwieligen Hand und schlüpfte zurück in seine warme Klause. Denn zum Glück ist wenigstens der gute Humor noch steuerfrei in diesen „schlechten Zeiten", und der war unser einziges Gepäck. „Schwager, blas uns ein's", riefen wir dem Postillon; schmetternd klang die alte Volksliedweise durch die Dämmerung, die langsam herniedersank,