Heft 
(1880) 38
Seite
221
Einzelbild herunterladen

-Karl Ltieler in München. 22 s

nur der Schlitten stöhnte im Schnee, die Pferde dampften, die feinen Schellen klingeln.

Dann geht es bergab, ein Augenblick, in dem wir erwachen aus dieser Traumwelt und vor uns lag der starre eisige See! Es ist der gewaltigste seines Geschlechtes, der König aller Bergseen der Königssee.

Die Thüre des gastlichen Hanfes, das dicht am Ufer steht, war offen, und der Wirth kam uns grüßend entgegen; aus den Fenstern drang trauliches Licht. Und wer hätte ihn nicht schon erfahren, den Zauber, den auch dies Licht übt; dies Frohgefühl, daß wieder Menschen um uns wohnen!

Das Thermometer vor dem Hanfe zeigte 26 Grad Kälte, eiserstarrt traten wir ein und erst allmählich fanden wir uns wieder zurecht, als normale Erdenbürger. Nichts ward versäumt um unseren Leichnam aufzurichten; in der großen breiten Wirthsstube aber war lustiges Volk versammelt, die Einen beim Bolzcnschießen, die Andern tanzten um eine klingende Zither, Menschenleben und Menschenlust klang wieder an unser Ohr.

Und dennoch ließ der Reiz der dunklen Einsamkeit uns nicht ganz rasten; unwiderstehlich zog es uns noch >in später Abendstunde hinaus auf den schwarzen See.

Wir tasteten bedächtig an der vereisten Schiffshütte hin und betraten den Spiegel, es war kaum möglich, sich aufrecht zu erhalten. Nur in kleinen Schritten kamen wir vorwärts. Vielleicht wird's auf den blanken Stahlschuhen besser gehen; wir legten sie an, und alsbald schwebten in langen Bogen die schattenhaften Gestalten hin, aber das Gefühl banger Unsicherheit steigerte sich fast, statt sich zu mindern. Man war wohl flüchtiger und flinker geworden, doch um so frappanter und wechselvoller ward auch das Bild dieser glatterstarrten Fluth, man fühlte jetzt erst recht den Mangel festen Grundes.

Schauerlich schön war's rund um uns; der Vollmond war hinter den hohen Seitenbergen emporgestiegen, aber sein Licht war nicht duftverschwommen, sondern schneidend klar, daß jede Felsenslanke förmlich heraustrat, das Gestein leuchtete weißkalt über den rabenschwarzen Wäldern und die Silberscheibe spiegelte sich blinkend in dem dunkelgrünen Eise. War's wirklich Eis? war's nicht die offene schwarze Fluth? So frug man sich von Schritt zu Schritt, uns umfing eine Täuschung, die alle Sinne zu berücken schien. Wohl eine halbe Stunde weit waren wir in den See hineingegangen, eine Felsenwand warf ihren tiefen kräftigen Schatten; hart daneben spielte das Mondlicht auf der Fläche. Um Himmelswillen nicht weiter wir gruben den Schlittschuh in's Eis, wir wagten es nicht den gehobenen Fuß nieder­zusetzen so verwirrend glich dies mondbegläuzte dunkelgrüne Eis der weichen flüssigen Tiefe.

Und während wir noch standen und starrten da kracht es dicht vor unseren Füßen, daß es uns fast in die Höhe warf, ein gellender Sprung ging durch die ganze Länge des Eises! Halt, halt, riefen wir denen zu,